Hörproben psychologischer Radiobeiträge (1)
aus den Jahren 2018 bis 2019


Macht Gruppenarbeit faul? (MDR Jump, 2018)



Ja, von der Tendenz stimmt die Aussage, dass Gruppenarbeit faul macht. Das hat etwas mit dem sozialpsychologischen Phänomen zu tun, dass die Kooperations- und Hilfsbereitschaft mit der Anzahl potenzieller Kooperationspartner und Helfer sinkt. Ein Beispiel: Ereignet sich auf einer wenig befahrenen Landstraße ein Unfall und ein Auto hat den Weg in einen Graben genommen, dann halten Kraftfahrer an und sehen nach, wie sie Hilfe geben können. Ereignet sich jedoch in der Großstadt ein Unfall, glauben die meisten Verkehrsteilnehmer, es seien bereits viele andere Helfer vor Ort und fahren selbst weiter. Ein ähnlicher Effekt lässt sich nun auch in der Gruppe ablesen. Wenn ich davon ausgehen kann, dass sich viele Andere einbringen, rühre ich kaum noch einen Finger.

Ist Schlaf wichtiger als Freunde? (MDR Jump, 2018)



Das hängt vom Alter ab. Jungen Menschen sind ihre Freunde besonders wichtig. Durch soziale Kontakte werten wir unser Selbstbild auf. Eine durchtanzte Nacht im Club oder die ultimative Party erscheinen da wertvoller als der Schlaf, den man ja zur Not in der Schule oder auf der Arbeit nachholen kann. Mit dem Älterwerden dämpft sich jedoch der Freundeskreis zumeist auf wenige Gleichaltrige ein. Die Selbstverwöhnung mit entspanntem Schlaf und gutem Essen und Trinken gewinnt an Bedeutung. Insofern könnte man sagen, dass genussvoller Schlaf und genussvolles Essen der Sex des Alters sind.

Ist Pendeln so stressig wie Kampfjetfliegen? (MDR Jump, 2018)



Nein, das stimmt nicht. Zweifellos strengt Pendeln an, wenngleich man die Belastung natürlich nicht mit Piloten im Kampfeinsatz vergleichen kann. Die Menschen verlieren durch Pendeln Zeit und Geld und sind dem stockenden Verkehrsfluss ausgeliefert. Nicht selten verhindert ja auch die Witterung, dass eilende Räder mich heimwärts tragen. Andererseits gibt es natürlich auch Menschen, die die fast regungslose Zeit im Auto oder Zug genießen. Sie gewinnen dadurch sowohl Abstand von der Arbeit als auch von ihrer Partnerschaft und Familie. Als Psychologe betrachte ich das Auto als rollenden Uterus. Das heißt, wir nehmen hinter dem Steuer eine Körperhaltung ein, die an die gebeugte Körperhaltung eines Fötus im Mutterleib erinnert. Wir hören das Rauschen des Verkehres gedämpft und fühlen uns von der Hülle unseres Fahrzeuges einigermaßen geschützt.

Steigt die Zahl der Nobelpreisträger mit dem nationalen Schokoladenkonsum? (MDR Jump, 2018)



Leider stimmt die Aussage so nicht. Es gibt zwar einen vom Schweizer Mediziner Franz Messerli festgestellten statistischen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade in einem Land und der Zahl seiner Nobelpreisträger. Als Ursache wurden hier die im Kakao enthaltenen Stoffe Theobromin und Tryptophan diskutiert, die unsere Geisteskräfte stärken können. Allerdings war Schokolade ja schon immer ein Luxusprodukt. In den alten mexikanischen Hochkulturen waren die Samen der Kakaopflanze den Priestern und anderen reichen Männern vorbehalten und blieben auch danach recht teuer. Länder, die es sich nun leisten können, Schokolade als Massenware unter's Volk zu bringen, sind privilegiert genug, auch gute Bildung und ein entspanntes gesellschaftliches Milieu anzubieten, die letztlich zu Nobelpreisen führen können. Es ist also ganz banal: Wo viel genascht werden kann, da ist auch Raum für Geistesblitze.

Führt Schadenfreude zu Glück? (MDR Jump, 2018)



Nein, das stimmt nicht. Einerseits ließe sich ja vermuten, dass Freude am Schaden der Anderen tief in uns verwurzelt ist. Man muss sich ja nur die Waffen und Folterinstrumente anschauen, die sich der Mensch für den Umgang mit seinesgleichen erfunden hat. In zivilerer Form erreichen heute ja Pannenshows und Sendungen mit versteckter Kamera gute Einschaltquoten. Andererseits sind Schadenfreude und Häme nicht angeboren, sondern anerzogen. Kleine Kinder und auch unsere Verwandten im Tierreich finden keinen Gefallen daran. Letztlich ist auch unter Erwachsenen Schadenfreude heute nur dann sozial akzeptabel, wenn ein Leid quasi als gerechte Strafe, zum Beispiel für Hochmut, empfunden wird. Es löst sich dann in uns eine innere Unruhe auf. Aber Triumph ist für das Glück immer zu wenig.

Braucht Erfolg frühes Aufstehen? (MDR Jump, 2018)



Nein, das ist falsch. Zweifellos gibt es erfolgreiche Konzernchefs wie Tim Cook von Apple, Anna Wintour von Vogue oder Jack Dorsey von Twitter, die bereits fünf Uhr morgens auf den Beinen sind. Man kann ja vor Sonnenaufgang gut meditieren, Sport treiben und frühe Arbeiten erledigen. Allerdings unterscheidet man in der Schlafforschung zwischen Lerchen und Eulen. Manch einer kommt eben früh zu Kräften, ein anderer erreicht erst zu späterer Stunde sein Leistungsoptimum. Es geht im Leben ja auch nicht nur um Karriere, sondern um Wohlbefinden. Einigen fällt es da sogar schwer, keinen Job und keine Familie unter einen Hut zu bekommen. Also wer es sich leisten kann, der sollte seiner inneren Uhr vertrauen.

Spricht man unter Alkoholeinfluss besser Fremdsprachen? (MDR Jump, 2018)



Ja, die Annahme stimmt, dass Alkohol in vernünftigen Dosen enthemmend auf unseren Sprachgebrauch sowohl in eigener wie in fremder Zunge wirkt. Also wenn wir uns nüchtern in einer Fremdsprache üben, dann fürchten wir uns vor Grammatikfehlern und mangelhafter Aussprache. Trüben wir aber unsere bewusste Kontrolle etwas ein, dann finden wir in Stimmführung und Satzmelodie einen natürlicheren Ton, wie ihn ja auch unangestrengte Muttersprachler benutzen. Manch einen erwischt nach Alkoholkonsum Sprache sogar wie Durchfall. Wir beackern dann mutig neue Wortfelder und lassen unseren Redefluss über Ufer treten, die sonst durch zu viel Selbstkontrolle eingedämmt sind.

Macht das Umarmen von Bäumen glücklich? (MDR Jump, 2018)



Ja, es stimmt. Wenn wir Bäume umarmen, nehmen wir Fühlung auf zu Lebewesen, die ja zumeist viel älter, viel größer und viel widerstandsfähiger sind als wir selbst. Wir können uns dann die Vorstellung zu eigen machen, ein Teil von deren Kraft würde gewissermaßen auf uns übergehen. In Japan nennt man die Methode Shirin-Yoku, was soviel wie Waldbaden heißt und setzt sie zum Beispiel gegen Verstimmungen und Müdigkeit ein. Also man wählt sich einen schönen Baum, umfasst ihn liebevoll, schließt lächelnd die Augen, berührt mit der Wange seine Rinde, genießt den Moment und löst sich dann mit Dankbarkeit für den Baum.

Fördert das Feierabend-Trinken mit Kollegen die Karriere? (MDR Jump, 2018)



Naja, soviel ist richtig: Wir alle schlagen unseren Faden in ein Netz aus Beziehungen. Insofern kann es unserer beruflichen Karriere natürlich zuträglich sein, sich den Kollegen und Vorgesetzten nach Feierabend, in ungezwungener Atmosphäre, von ungekannter Seite zu zeigen. Allerdings wiegt die eine oder andere in Aussicht genommene Karriere-Flasche nicht den Schaden auf, der - abgesehen von der Gesundheit - dadurch auch in unserer Partnerschaft und Familie entsteht. Wir verbringen ja ohnehin die aufmerksamste Zeit des Tages auf der Arbeit. Und am Ende des Lebens sagt niemand: "Ich hätte mehr Zeit mit Kollegen und Vorgesetzten verbringen sollen", wohl aber mit Partnern und Kindern.

Warum buchen wir auf Reise-Portalen? (Deutschlandfunk, 2018)



Der Mensch ist ja aus evolutionärer Sicht Jäger und Sammler und insofern sind wir ständig auf der Suche nach fetter Beute. Und das Interessante ist nun, dass solche Vergleichs- und Buchungsportale uns suggerieren, dass da irgendwelche komplexen Algorithmen im Hintergrund wirken, die uns Eigenrecherche ersparen, die uns das beste, das billigste Angebot heraussuchen. Und dem vertrauen wir dann blind. Das ist natürlich ganz interessant, weil solche Portale ja ihrerseits keine neutralen Schiedsrichter sind, sondern letzten Endes eigene ökonomische Interessen verfolgen. Der Mensch ist sehr bequem. Wir sind für unsere Sicht sehend und für unsere Blindheit blind. Da wird der Verstand ausgeschaltet, wenn es irgendwo heißt '30 Prozent Rabatt'. Eigentlich müssten wir dann selbstkritisch mit uns in Klausur gehen und uns überlegen: 'Ja, 30 Prozent, wovon? Vom allerbesten, vom allerteuersten Angebot in der Hochsaison?' Und wenn wir nüchtern dieses vermeintlich gute Angebot hinterfragen, dann kommen wir auch wieder zu Sinnen.

Verlieren Frauen aufgrund ihres Partners bis zu drei Stunden Schlaf pro Nacht? (MDR Jump, 2019)



Ja, also wenn man einer aktuellen britischen Studie Glauben schenkt, dann finden Frauen nachts neben ihren Männern nur begrenzt Ruhe. Von immerhin 2000 befragten Paaren meinten 22 Prozent der Frauen, dass sie vor allem das Schnarchen ihres Partners stört und viel Schlaf kostet. Fakt ist, dass in der ersten Lebenshälfte Männer häufiger schnarchen als Frauen. Erst ab der Menopause gleichen sich die Schnarchwerte beider Geschlechter an. Manche Frauen macht das Schnarchen ihrer Partner übrigens aggressiv, wohingegen Männer das Schnarchen ihrer Partnerinnen eher niedlich finden. Natürlich gibt es auch noch andere Gründe für den reduzierten weiblichen Schlaf wie die Tatsachen, dass Frauen Unterleibsschmerzen haben können und Alltagsprobleme eher ins Bett mitnehmen, oder sich bei weinenden Kindern zuständiger fühlen als ihre seelenruhig schlafenden Männer.

Regt Heavy-Metal-Musik das wissenschaftliche Denken an? (MDR Jump, 2019)



Ja, das stimmt zumindest zum Teil. Ein kanadischer Psychologe hat heraus gefunden, dass Metal-Fans durch das Hören ihrer Musik unangenehme Lebenssituationen und Ärger bewältigen. Diese intensive Musik dient hier also als Ventil. Außerdem gilt Heavy Metal ja als unkonventionell und antiautoritär. Das sind Tugenden, die ja auch kreatives und wissenschaftliches Denken begünstigen.

Verreist jeder siebte deutsche Erwachsene mit seinem Kuscheltier? (MDR Jump, 2019)



Ja, das stimmt. Es gibt eine repräsentative Umfrage, wonach fast 20 Prozent der Frauen und immerhin noch 11 Prozent der Männer bei Reisen nicht auf ihr Kuscheltier verzichten wollen. Viele behaupten, es sei ihr Glücksbringer oder sie könnten ohne es nicht einschlafen. Manche Menschen haben also zu voreilig geglaubt, erwachsen zu sein. Es gibt aber noch einen anderen Grund. 9 Prozent möchten nämlich als Running Gag an jedem Reiseziel ein Foto mit ihrem Kuscheltier schießen. Schließlich posiert es ja bereitwillig an jedem Ort und vermittelt Vertrautheit, wenngleich es auch in der Welt der Kuscheltiere schwarze Schafe gibt.


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