Beiträge für einen Podcast (3)


Warum denken wir zunehmend an die Kindheit zurück? (BB Radio, 2021)



Je älter wir werden, desto stärker kommen wir gedanklich auf unsere Kindheit und Jugend zurück. Die Jahre vor der Volljährigkeit sind die prägenden und im Rückblick deuten wir Anekdoten daraus zu Kapiteln unserer Lebensgeschichte um. Besonders gern betonen wir übrigens die vergleichsweise bescheidenen Verhältnisse, aus denen wir angeblich stammen. Die erfindungsreiche Erinnerung sieht dann ärmliche Fischerhäuser, vor deren Türen alte Frauen Netze flicken oder eine Greisin vor dem Elternhaus, die sich krumm unterm Reisigbündel müht.

Warum sind wir eitel? (BB Radio, 2021)



Eitelkeit bedeutet ja die übertriebene Sorge um die eigene Schönheit oder die geistige Vollkommenheit. Die Betroffenen möchten unbedingt gefallen und ins Auge springen durch gutes Aussehen oder durch Wohlgeformtheit des eigenen Charakters. Indem wir attraktiv wirken wollen, suchen wir nach Selbstbestätigung dafür, dass wir in unserem bisherigen Leben vieles richtig gemacht hätten und dass wir bewunderungswürdig oder gar liebenswert seien. Der Spiegel der Selbstreflexion ist meistens jedoch an der kritischen Stelle blind.

Warum verlieben wir uns immer in den gleichen Typus? (BB Radio, 2021)



Bei der Partnerwahl sind wir unbewusst durch unsere Schulhof-Schwärmereien beeinflusst. Hatten wir damals einen brünetten oder blonden Typus ins Auge gefasst, mit oder ohne Brille, von bestimmter Körperhaltung, vielleicht auch mit besonderen inneren Eigenschaften, so suchen wir später den Markt genau danach ab. Entscheidend ist, dass damals keine Partnerschaft zustande kam, denn wenn Liebe keine Antwort bekommt, bleibt sie frisch. Unsere Partnersuche im Erwachsenenalter kompensiert also unsere pubertären Frustrationen.

Warum können wir das Handy schlecht aus der Hand legen? (BB Radio, 2021)



Smartphone-Apps sind so programmiert, dass wir sie möglichst lange benutzen, damit uns viele Werbebotschaften von hinlänglicher Leuchtkraft in die Augen springen können. Am effektivsten ist hierbei die "pull to refresh"-Funktion, also die Aktualisierung durch Herunterziehen des Fingers. Sie ist dem Glücksspielautomaten des Einarmigen Banditen aus Las Vegas nachempfunden. Ziehen wir den Hebel, werden wir entweder durch interessante Neuigkeiten belohnt oder es passiert vorerst nichts. In beiden Fällen können wir dann kaum unsere Finger vom Handy lassen.

Warum werden wir beim Autofahren aggressiv? (BB Radio, 2021)



Sitzen wir im Auto, sind wir von dessen Metallhülle geschützt und fühlen uns dadurch sicher genug, gegen andere Verkehrsteilnehmer Verwünschungen auszustoßen. Hinzu kommt, dass wir ja irgendwo hinkommen wollen und die gebotene Eile dann unsere Zündschnur verkürzt. Und drittens sehen wir es ungern, wenn wir selbst alle Verkehrsregeln befolgen, andere jedoch nicht gleichermaßen durch die Straßenverkehrsordnung eingespurt sind.

Warum bekommen wir ein schlechtes Gewissen? (BB Radio, 2021)



Der Mensch krümmt sich unter erdachten Last, die er Gewissen nennt. Es hat die Funktion, uns an unsere jeweilige soziale Gruppe zu binden. Wenn wir etwas tun, was in der für uns relevanten Gruppe geschätzt wird, haben wir ein gutes Gewissen. Und ein schlechtes Gewissen bekommen wir, wenn unser persönliches Umfeld unsere Handlungen bei Kenntnisnahme ablehnen würde. Das Gewissen hat also nichts mit Gut und Böse zu tun, sondern ist gewissermaßen ein sozialpsychologisches Gleichgewichtsorgan.

Warum lügen wir? (BB Radio, 2021)



Alle unsere Äußerungen haben immer auch das Ziel, die Beziehung zu unseren Mitmenschen zu vertiefen. Mitunter ist hierfür eine Lüge geeigneter als die Wahrheit. Wenn wir also durch unsere Aussagen erwarten können, von unserem Umfeld gemocht zu werden, dann verhalten wir uns zur Wahrheit wie die Kuh zum Stachelzaun: Solange es etwas zu fressen gibt, hält sie sich fern; dann sucht sie eine Lücke.

Warum fällt uns das Einlassen auf eine feste Partnerschaft manchmal schwer? (BB Radio, 2021)



Im Vergleich zu früheren Zeiten sind wir heute unabhängiger von unseren Mitmenschen. Wir können beliebige Lebensentwürfe wählen und brauchen hierfür nicht zwangsläufig feste Partner. Mitunter scheuen wir auch das Risiko, durch eine handfeste Beziehung zu Veränderungen in unserem eigenen Wohn- und Freizeitverhalten gezwungen zu werden. Es liegt also in unserer Hand, ob wir unser Bett als halb leer empfinden oder als halb voll.

Warum sind wir abergläubisch? (BB Radio, 2021)



Beim Aberglauben schaffen wir Ordnung im Chaos der Welt, indem wir uns irgendwelche Zusammenhänge zwischen Lebenssachverhalten einbilden, aus denen wir Deutungs- und Verhaltensregeln ableiten können. Je häufiger wir dies wiederholen, desto felsenfester glauben wir an ihre Wirkmächtigkeit. Wir gehen dann quasi von guten wie bösen Geistern aus, die unablässig Zeichen ihrer Tätigkeit senden. Hier werden auch böse Zeichen Teil der guten Nachricht, dass alles, was erscheint, Sinn ergibt, sobald man sie zu lesen gelernt hat.

Warum glauben wir nur, was wir selbst für richtig halten? (BB Radio, 2021)



Statt Neues mühsam verarbeiten zu müssen, ist es wesentlich leichter, in unseren bisherigen Landkarten des Sein zu bleiben und die Welt nach unserer Elle zu vermessen. Wir sparen Energie, wenn wir intuitiv glauben, die Welt schulde uns ihre Angleichung. Auch bei größeren Themen sind wir ständig auf der Suche nach empirischen Argumenten zugunsten unserer existenziellen Gestimmtheit. So gesehen ist jedes Lernen nur Vorfreude auf uns selbst.

Warum interessieren wir uns für Promis? (BB Radio, 2021)



Bereits in den frühen Kulturen wurden Geschichten über Helden erzählt. Man bewunderte deren Mut und Kraft. Heute haben wir Helden durch Stars ersetzt. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass ein Held meistens früh stirbt, wohingegen ein Star sich selbst überlebt. Er versucht so zu sein wie damals auf seinem Zenit. Das kann dann entweder noch immer gut oder eher von peinlicher Tendenz aussehen.

Warum möchten wir Lob und Kritik? (BB Radio, 2021)



In der Lernpsychologie hat man die Beobachtung gemacht, dass extrovertierte, gesellige Menschen eher durch Belohnung lernen und introvertierte, ruhige Menschen eher durch Bestrafung. Das heißt: Kritisiere ich einen extrovertierten Menschen, dann wird er sich rechtfertigen und seine Ansichten trotzdem nicht für korrekturbedürftig halten. Lobe ich ihn jedoch, dann wird er das gelobte Verhalten immer und immer wieder zeigen. Bei introvertierten Menschen ist es umgekehrt. Sie nehmen Lob kaum an, aber stellen ab, was andere an ihnen kritisieren.

Warum sind wir hart im Nehmen? (BB Radio, 2021)



Der moderne Begriff Resilienz bedeutet psychische Widerstandskraft, also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Letztlich heißt dies, dass eigene Schlappen und Misserfolge virtuos abgedunkelt werden können, sodass sie kaum noch ins Bewusstsein eindringen. Solange man sich beispielsweise weniger krank fühlt, als man der Lage nach sein sollte, ist man schon nahezu wieder gesund.

Warum fallen uns Entscheidungen schwer? (BB Radio, 2021)



Im Konstruktivismus kannte man die Maxime: Handle stets so, dass die Anzahl deiner Wahlmöglichkeiten steigt! Durch die Festlegung auf eine Entscheidung kappen wir also unsere künftige Auswahlfreiheit. Wir schrecken davor zurück, einen Entschluss zu fassen, der sich später als möglicherweise suboptimal herausstellt. Durch Zaudern bewahren wir uns zwar einen Schwebezustand, treten aber auf der Stelle. Tatsächlich steht in den Glasvitrinen unserer Seele allerlei Porzellan, das nach einem Elefanten verlangt.

Warum können wir bei Sonderangeboten kaum widerstehen? (BB Radio, 2021)



Die steinzeitlichen Jäger und Sammler in uns lassen sich bereits durch die Kennzeichnung von Rabattprozenten aus der Reserve locken. Durch die Behauptung einer bald versiegenden Quelle werden wir als Legionäre des Augenblicks mobilisiert. Greifen wir unmittelbar zu, überrieselt uns der Gedanke mit Freude, im letzten Augenblick gute Beute gemacht zu haben. Ob dies vor dem Tribunal der Vernunft bestehen kann, ist einerlei.

Warum möchten wir fit aussehen? (BB Radio, 2021)



Heute assoziiert man fit aussehende Menschen damit, dass sie sportlich aktiv auf dem Laufenden sind. Sie scheinen also überschüssige Zeit, Disziplin und Geldscheine für Fitness zu haben. Außerdem ist kalorienreiches, fettes Essen heute für jeden erschwinglich, während gesunde Biokost teuer ist. Mit einem fitten Körper möchte man also bewusst oder unbewusst auch eine gewissen Luxus ausdrücken.

Warum behalten wir Nebensächlichkeiten im Gedächtnis? (BB Radio, 2021)



Das Gehirn ist ein Schwamm, der den Kosmos aufsaugt, in einer Art Vorratsdatenspeicherung. Da wir vorerst nicht wissen, was wir davon später benötigen werden, merken wir uns einzelne Bruchstücke, aus denen wir bei Bedarf wieder eine komplette Erinnerung zusammensetzen können. Dazu eignen sich auch winzige Details und Nebensächlichkeiten. Sobald wir uns darüber wundern, dass uns Kleinigkeiten an etwas erinnern, haben sie ihre Wirkmächtigkeit ja gerade bewiesen.

Warum vertrauen wir einander? (BB Radio, 2021)



Aus biologischer Perspektive ist der Mensch kein Einzelgänger, sondern ein Herdentier. Um bestmöglich zu überleben, sind wir auf Kooperation angewiesen, die wiederum Grundvertrauen voraussetzt. Glück bedeutet für uns Geborgenheit im Nicht-denken-Müssen. Wir ersparen uns eigenen kognitiven Aufwand, wenn wir uns auf dasjenige verlassen, was andere Menschen vorgeben bereits durchgearbeitet zu haben. Mitunter gehen wir dadurch jedoch zielstrebig in die Irre.

Warum versagen wir in Bewerbungsgesprächen? (BB Radio, 2021)



Wer eingestellt werden möchte, muss einige der Probleme lösen können, die das Unternehmen gerade hat. Wer das übersieht, setzt die falschen Schlaglichter. Übrigens rate ich als Psychologe bei der Frage nach den eigenen Stärken zur Antwort: "Ich mache einen Fehler nur einmal." Und bei der Frage nach den eigenen Schwächen wird am liebsten gehört: "Ich arbeite manchmal zu hart." Der psychologisch klügste Satz lautet aber: "Ich hoffe, meinen Vorgesetzten rasch zu beweisen, dass meine Intelligenz sich genau in den richtigen Grenzen hält."


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