Beiträge für einen Podcast (1)
Warum sind wir eifersüchtig? (BB Radio, 2021)
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Sobald wir nach Anhaltspunkten für ein mögliches Fremdgehen unseres Partners Ausschau halten, machen wir uns selbst klein und einen potenziellen Nebenbuhler groß. Hier hilft es, sich selbst aufzurichten und sich klar zu machen, dass die Gründe des Partners, immer noch bei mir zu sein, triftig sind.
Warum protzen wir mit großen Autos? (BB Radio, 2021)
Die beliebte Einheit von Mensch und Fahrzeug ist letztlich ein kentaurisches Motiv. Das heißt, es existieren Ähnlichkeiten mit dem mythologischen Fabelwesen eines Zentaurus, eines Mischwesens aus Mensch und Pferd. Auch beim Autofahren reiten wir ja auf einer größeren animalischen Energie und verwandeln uns quasi zum Hybridwesen mit menschlicher Front und Pferdeunterleib. Je mehr PS, desto kraftvoller spüren wir uns unter der Haube und geben damit an.
Warum applaudieren wir? (BB Radio, 2021)
Bringen wir gemeinsam den Salut unserer Hände dar, dann wollen wir vergleichsweise anonym eine Leistung würdigen. An unserer gewöhnlichen Stimme wären wir nämlich erkennbar. Außerdem erzeugt Händeklatschen ein Gemeinschaftsgefühl und ist das ideale Körpergeräusch einer Gruppe, da es nicht zu laut und nicht zu leise klingen kann. Auch vor einer Aufführung beginnen wir ja manchmal zu applaudieren. Dies ist dann eine liebenswürdige Form, rechtmäßige Ungeduld zu äußern, da sie zugleich Beifallslust zum Ausdruck bringt.
Warum haben wir Vorurteile? (BB Radio, 2021)
Wir neigen dazu, unserer Welt eine körnige Textur zu verpassen. Je einfacher wir es unserem Denken machen, desto anstrengungsloser kommen wir durch das Leben. Haben wir erst einmal unsere Vorurteile gefasst und Schubladen für schnelle Einsortierungen eingerichtet, können wir rasche Urteile fällen, die dann aber natürlich meistens falsch sind. Ich sage immer: Wir sind für unsere Sichtweise sehend und für unsere Blindheit blind.
Warum geben wir unseren Partnern Spitznamen? (BB Radio, 2021)
Wird ein Spitz- oder Kosename nur vom eigenen Partner benutzt, ist eine exklusive Innigkeit markiert. Dabei nennen wir unsere Partner so, wie wir sie gerne haben würden. "Bärchen" wäre hier die gewünschte starke Schulter, "Hase" das kuschelige aber zugleich sexuell aktive Wesen, "Spatz" und "Mausi" betonen die Harmlosigkeit, "Baby" nennt man, um den man sich kümmern möchte, "Engelchen" will die Inspiration und "Schatz" den besonderen Glanz.
Warum lieben viele Frauen das Einkaufen? (BB Radio, 2021)
Frauen sind herkunftsmäßig Sammlerinnen und die braucht man heute mehr denn je, denn aus der Sammlerin ist auf dem kürzesten Weg die Konsumentin geworden. In diesem Punkt sind Frauen viel kapitalismuskompatibler als Männer. In der Konsumentin zeigt sich nämlich noch immer die triumphale Genugtuung der Sammlerin, die in ihrem Korb etwas heimbringt. Daraus ist weltweit die Handtasche entstanden. Ein Mann ohne Speer, das geht ja noch, aber eine Frau ohne Tasche ist eher die Ausnahme.
Warum können wir Kindern nichts ausschlagen? (BB Radio, 2021)
Kinder sind oft mit der Unerbittlichkeit ihres Alters auf ein Spielzeug oder eine Nascherei aus. Da es sich zumeist um vergleichsweise geringe Geldwerte handelt, kostet uns das Nachgeben wenig und gibt uns das Gefühl, großzügig zu sein. Allerdings bereuen wir dies zuweilen, wenn das Kind dann nämlich das erworbene Gemeinschaftsbrett tatsächlich mit uns spielenswert findet oder sich nach zwei Stunden aufmerksamster Trommelei auf dem Instrument eingespielt hat.
Warum stehen wir Neuem oft skeptisch gegenüber? (BB Radio, 2021)
Bekanntes Unglück wird unbekannter Zukunft vorgezogen. Haben wir uns einmal in unserem Leben eingerichtet, kostet es uns weniger Energie, auf bisherige Routinen zurückzugreifen und den ausgetretenen Pfaden zu folgen, als die Anstrengung zu unternehmen, uns Neuem probeweise auszusetzen. Immerhin hat das Alte bislang reibungslos funktioniert. Das eigene Gehirn arbeitet wie das Zentralkomitee einer Partei, die zu lange an der Macht war.
Warum glauben wir an Übernatürliches? (BB Radio, 2021)
Menschen bewundern immer das, was sich ihrem Verständnis nicht ohne weiteres fügt. Dabei sind wir schnell bereit, das Wirken höherer Mächte anzunehmen, sobald wir etwas nicht durchdringen - vor allem übrigens dann, wenn wir glauben, das Unbegreifliche sei uralt und habe lange existiert, bevor wir selbst zur Welt kamen. Indem wir später mehr und mehr Wissen erlangen, erscheinen uns alte Glaubenssysteme wie entladene Batterien, die uns nicht mehr genug faszinieren, um uns von drüben her zum Leuchten zu bringen.
Warum werden wir im Alter schrulliger? (BB Radio, 2021)
Manchen, die ein bestimmtes Alter erreicht haben, erscheint jede Lebensveränderung wie ein verabscheuenswertes Symbol für den Hingang der Zeit. Man kaut dann Erinnerungen wie Gummi, dem noch ein Rest Geschmack geblieben ist. Da kaum noch Neues erlebt wird, werden alte Begebenheiten erzählt, oft auch stets mit denselben Wörtern und in derselben Reihenfolge als seien sie das Vaterunser. Dennoch: Keine Grenze verleitet so sehr zum Schmuggeln wie die Altersgrenze.
Warum ziehen sich Menschen über den Tisch? (BB Radio, 2021)
Wie alle biologischen Wesen sind wir auf bestmögliches Überleben und Vorteil bedacht. Der Glaube, dass die Menschen von Natur aus gut sind, ist oft eine Anleitung zum Unglücklichsein. Es werden nämlich nicht selten Gelegenheiten ausgenutzt, wenn kaum Strafe oder Ächtung zu fürchten ist. Manche Menschen sehen dann die schwerfällige Ordnung und Gesetzlichkeit des Alltages aufgehoben, also die Hindernisse und Umständlichkeiten, die im gemeinen Leben sich der Begierde entgegen stellen, auf glückselige Weise beiseite geräumt.
Warum ist unser Appetit nicht immer gleich? (BB Radio, 2021)
Unser Appetit ist im Laufe des Jahres nicht immer gleich. In früheren Zeiten gab es im Winter weniger zu essen und man nahm eher ab und im Sommer zu. Heute ist es genau umgekehrt. Wir futtern uns Winterspeck an und sind dann spätestens im Frühsommer mit Blick auf die Strandfigur bemüht, unseren übergewichtigen Wohlstand zu schmälern.
Warum sind wir für Angst empfänglich? (BB Radio, 2021)
Jedes biologische Wesen ist darauf gepolt, potenzielle Gefahren für das eigene Überleben blitzschnell zu erkennen. Sicherheitshalber nehmen wir Reize und Sorgen ernster als sie es sind. Die Massenmedien der Menschen werden auch künftig dabei mithelfen, immer wieder neuen Alarm an der Themenbörse zu positionieren; beispielsweise vor der schleichenden Ablagerung irgendwelcher Giftstoffe im Gehirn oder vor den seelischen Spätfolgen des Missbrauchs von Jungen durch überfürsorgliche Mütter oder vor Riesenmeteoren, die direkt Kurs auf die Erde halten.
Warum lassen wir beim partnerschaftlichen Sex nach? (BB Radio, 2021)
Die Natur hat uns so gebaut, dass die Lust in der Lebensphase von potenziellen Familiengründungen am höchsten ist. Wenn wir uns dann umarmen und umbeinen, gerät unsere Männlichkeit und Weiblichkeit rasch in den bedrängendsten Aufstand. Später lassen wir im Bett zuweilen das Köpfchen hängen. Letztlich schielt die Natur also auf Nachkommenschaft, die aus dem jungen Verkehr der Geschlechter hervorgehen kann.
Warum sind wir neidisch? (BB Radio, 2021)
Wir nehmen den Mitmenschen unseren eigenen Eindruck übel, das Leben habe sie besser behandelt als uns. Sobald wir Menschen wahrnehmen, die mehr von dem haben, was wir für uns selbst wünschenswert finden, leidet unsere Seele Zahnweh und unsere Missgunst greift nach spitzen Gegenständen. Aber ich verrate hier ein Geheimnis: Je größer der Reichtum, desto komplizierter das Glück.
Warum wollen wir schlank sein? (BB Radio, 2021)
Schlanksein ist zum neuen Statussymbol geworden. Wirft man einen Blick in die Chefetagen, sieht man dort oft schlanke, sportliche Menschen - während das breite Volk in die Breite geht. Das war ja nicht immer so. In früheren Zeiten litt die Bevölkerung zuweilen Hunger und der typisch Wohlhabende hatte ein schon zur dritten Wölbung bereites Doppelkinn. Heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt.
Warum geben wir unseren Autos Namen? (BB Radio, 2021)
In einem Auto nimmt man ja eine ähnliche Körperstellung ein wie als ungeborenes Kind im Mutterleib. Wir sind von seiner Hülle geschützt und nehmen die Umgebungsgeräusche gedämpft wahr. Dieses Gefühl löst nun bei einigen Menschen so viel Vertrauen aus, dass sie ihr Auto wie ein Familienmitglied betrachten und ihm folgerichtig auch einen Namen geben. Als Psychologe würde ich also sagen: Das Auto ist ein rollender Uterus.
Warum wollen wir unsere Partner verändern? (BB Radio, 2021)
In Partnerschaften meinen wir, wir selbst seien richtig und der Andere ein bisschen. Wir möchten ihn dann zu uns herüber ziehen und so verändern, dass er demjenigen entspricht, was in unserer eigenen Herkunftsfamilie gegolten hat. Als perfekter Partner scheint dann derjenige, bei dem wir uns selbst überhaupt nicht verändern müssen. Da der Andere aber bereits perfekt in seine eigene Welt passt und natürlich auch mich dort einfügen möchte, sind die Voraussetzungen gegeben, eine anhaltend strittige Beziehung zu führen.
Warum zeigen sich gute Manieren beim Essen? (BB Radio, 2021)
Essen ist ein soziales Phänomen und von allerlei kulturellen Spielregeln bestimmt. Je beherrschter wir mitspielen, desto parkettsicherer wirken wir. Dazu gehört, dass es dem Gesicht gelingen muss, Wohlgeschmack widerzuspiegeln oder dass man bei Hunger nicht das Stück Fleisch in der Ecke verschlingt, sondern mit scheinbarem Gleichmut die Reste des Essens auf den Teller lädt.