Hörproben psychologischer Radiobeiträge


Macht Gruppenarbeit faul? (MDR Jump, 2018)



Ja, von der Tendenz stimmt die Aussage, dass Gruppenarbeit faul macht. Das hat etwas mit dem sozialpsychologischen Phänomen zu tun, dass die Kooperations- und Hilfsbereitschaft mit der Anzahl potenzieller Kooperationspartner und Helfer sinkt. Ein Beispiel: Ereignet sich auf einer wenig befahrenen Landstraße ein Unfall und ein Auto hat den Weg in einen Graben genommen, dann halten Kraftfahrer an und sehen nach, wie sie Hilfe geben können. Ereignet sich jedoch in der Großstadt ein Unfall, glauben die meisten Verkehrsteilnehmer, es seien bereits viele andere Helfer vor Ort und fahren selbst weiter. Ein ähnlicher Effekt lässt sich nun auch in der Gruppe ablesen. Wenn ich davon ausgehen kann, dass sich viele Andere einbringen, rühre ich kaum noch einen Finger.

Ist Schlaf wichtiger als Freunde? (MDR Jump, 2018)



Das hängt vom Alter ab. Jungen Menschen sind ihre Freunde besonders wichtig. Durch soziale Kontakte werten wir unser Selbstbild auf. Eine durchtanzte Nacht im Club oder die ultimative Party erscheinen da wertvoller als der Schlaf, den man ja zur Not in der Schule oder auf der Arbeit nachholen kann. Mit dem Älterwerden dämpft sich jedoch der Freundeskreis zumeist auf wenige Gleichaltrige ein. Die Selbstverwöhnung mit entspanntem Schlaf und gutem Essen und Trinken gewinnt an Bedeutung. Insofern könnte man sagen, dass genussvoller Schlaf und genussvolles Essen der Sex des Alters sind.

Ist Pendeln so stressig wie Kampfjetfliegen? (MDR Jump, 2018)



Nein, das stimmt nicht. Zweifellos strengt Pendeln an, wenngleich man die Belastung natürlich nicht mit Piloten im Kampfeinsatz vergleichen kann. Die Menschen verlieren durch Pendeln Zeit und Geld und sind dem stockenden Verkehrsfluss ausgeliefert. Nicht selten verhindert ja auch die Witterung, dass eilende Räder mich heimwärts tragen. Andererseits gibt es natürlich auch Menschen, die die fast regungslose Zeit im Auto oder Zug genießen. Sie gewinnen dadurch sowohl Abstand von der Arbeit als auch von ihrer Partnerschaft und Familie. Als Psychologe betrachte ich das Auto als rollenden Uterus. Das heißt, wir nehmen hinter dem Steuer eine Körperhaltung ein, die an die gebeugte Körperhaltung eines Fötus im Mutterleib erinnert. Wir hören das Rauschen des Verkehres gedämpft und fühlen uns von der Hülle unseres Fahrzeuges einigermaßen geschützt.

Steigt die Zahl der Nobelpreisträger mit dem nationalen Schokoladenkonsum? (MDR Jump, 2018)



Leider stimmt die Aussage so nicht. Es gibt zwar einen vom Schweizer Mediziner Franz Messerli festgestellten statistischen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade in einem Land und der Zahl seiner Nobelpreisträger. Als Ursache wurden hier die im Kakao enthaltenen Stoffe Theobromin und Tryptophan diskutiert, die unsere Geisteskräfte stärken können. Allerdings war Schokolade ja schon immer ein Luxusprodukt. In den alten mexikanischen Hochkulturen waren die Samen der Kakaopflanze den Priestern und anderen reichen Männern vorbehalten und blieben auch danach recht teuer. Länder, die es sich nun leisten können, Schokolade als Massenware unter's Volk zu bringen, sind privilegiert genug, auch gute Bildung und ein entspanntes gesellschaftliches Milieu anzubieten, die letztlich zu Nobelpreisen führen können. Es ist also ganz banal: Wo viel genascht werden kann, da ist auch Raum für Geistesblitze.

Führt Schadenfreude zu Glück? (MDR Jump, 2018)



Nein, das stimmt nicht. Einerseits ließe sich ja vermuten, dass Freude am Schaden der Anderen tief in uns verwurzelt ist. Man muss sich ja nur die Waffen und Folterinstrumente anschauen, die sich der Mensch für den Umgang mit seinesgleichen erfunden hat. In zivilerer Form erreichen heute ja Pannenshows und Sendungen mit versteckter Kamera gute Einschaltquoten. Andererseits sind Schadenfreude und Häme nicht angeboren, sondern anerzogen. Kleine Kinder und auch unsere Verwandten im Tierreich finden keinen Gefallen daran. Letztlich ist auch unter Erwachsenen Schadenfreude heute nur dann sozial akzeptabel, wenn ein Leid quasi als gerechte Strafe, zum Beispiel für Hochmut, empfunden wird. Es löst sich dann in uns eine innere Unruhe auf. Aber Triumph ist für das Glück immer zu wenig.

Braucht Erfolg frühes Aufstehen? (MDR Jump, 2018)



Nein, das ist falsch. Zweifellos gibt es erfolgreiche Konzernchefs wie Tim Cook von Apple, Anna Wintour von Vogue oder Jack Dorsey von Twitter, die bereits fünf Uhr morgens auf den Beinen sind. Man kann ja vor Sonnenaufgang gut meditieren, Sport treiben und frühe Arbeiten erledigen. Allerdings unterscheidet man in der Schlafforschung zwischen Lerchen und Eulen. Manch einer kommt eben früh zu Kräften, ein anderer erreicht erst zu späterer Stunde sein Leistungsoptimum. Es geht im Leben ja auch nicht nur um Karriere, sondern um Wohlbefinden. Einigen fällt es da sogar schwer, keinen Job und keine Familie unter einen Hut zu bekommen. Also wer es sich leisten kann, der sollte seiner inneren Uhr vertrauen.

Spricht man unter Alkoholeinfluss besser Fremdsprachen? (MDR Jump, 2018)



Ja, die Annahme stimmt, dass Alkohol in vernünftigen Dosen enthemmend auf unseren Sprachgebrauch sowohl in eigener wie in fremder Zunge wirkt. Also wenn wir uns nüchtern in einer Fremdsprache üben, dann fürchten wir uns vor Grammatikfehlern und mangelhafter Aussprache. Trüben wir aber unsere bewusste Kontrolle etwas ein, dann finden wir in Stimmführung und Satzmelodie einen natürlicheren Ton, wie ihn ja auch unangestrengte Muttersprachler benutzen. Manch einen erwischt nach Alkoholkonsum Sprache sogar wie Durchfall. Wir beackern dann mutig neue Wortfelder und lassen unseren Redefluss über Ufer treten, die sonst durch zu viel Selbstkontrolle eingedämmt sind.

Macht das Umarmen von Bäumen glücklich? (MDR Jump, 2018)



Ja, es stimmt. Wenn wir Bäume umarmen, nehmen wir Fühlung auf zu Lebewesen, die ja zumeist viel älter, viel größer und viel widerstandsfähiger sind als wir selbst. Wir können uns dann die Vorstellung zu eigen machen, ein Teil von deren Kraft würde gewissermaßen auf uns übergehen. In Japan nennt man die Methode Shirin-Yoku, was soviel wie Waldbaden heißt und setzt sie zum Beispiel gegen Verstimmungen und Müdigkeit ein. Also man wählt sich einen schönen Baum, umfasst ihn liebevoll, schließt lächelnd die Augen, berührt mit der Wange seine Rinde, genießt den Moment und löst sich dann mit Dankbarkeit für den Baum.

Fördert das Feierabend-Trinken mit Kollegen die Karriere? (MDR Jump, 2018)



Naja, soviel ist richtig: Wir alle schlagen unseren Faden in ein Netz aus Beziehungen. Insofern kann es unserer beruflichen Karriere natürlich zuträglich sein, sich den Kollegen und Vorgesetzten nach Feierabend, in ungezwungener Atmosphäre, von ungekannter Seite zu zeigen. Allerdings wiegt die eine oder andere in Aussicht genommene Karriere-Flasche nicht den Schaden auf, der - abgesehen von der Gesundheit - dadurch auch in unserer Partnerschaft und Familie entsteht. Wir verbringen ja ohnehin die aufmerksamste Zeit des Tages auf der Arbeit. Und am Ende des Lebens sagt niemand: "Ich hätte mehr Zeit mit Kollegen und Vorgesetzten verbringen sollen", wohl aber mit Partnern und Kindern.

Warum buchen wir auf Reise-Portalen? (Deutschlandfunk, 2018)



Der Mensch ist ja aus evolutionärer Sicht Jäger und Sammler und insofern sind wir ständig auf der Suche nach fetter Beute. Und das Interessante ist nun, dass solche Vergleichs- und Buchungsportale uns suggerieren, dass da irgendwelche komplexen Algorithmen im Hintergrund wirken, die uns Eigenrecherche ersparen, die uns das beste, das billigste Angebot heraussuchen. Und dem vertrauen wir dann blind. Das ist natürlich ganz interessant, weil solche Portale ja ihrerseits keine neutralen Schiedsrichter sind, sondern letzten Endes eigene ökonomische Interessen verfolgen. Der Mensch ist sehr bequem. Wir sind für unsere Sicht sehend und für unsere Blindheit blind. Da wird der Verstand ausgeschaltet, wenn es irgendwo heißt '30 Prozent Rabatt'. Eigentlich müssten wir dann selbstkritisch mit uns in Klausur gehen und uns überlegen: 'Ja, 30 Prozent, wovon? Vom allerbesten, vom allerteuersten Angebot in der Hochsaison?' Und wenn wir nüchtern dieses vermeintlich gute Angebot hinterfragen, dann kommen wir auch wieder zu Sinnen.

Verlieren Frauen aufgrund ihres Partners bis zu 3 Stunden Schlaf pro Nacht? (MDR Jump, 2019)



Ja, also wenn man einer aktuellen britischen Studie Glauben schenkt, dann finden Frauen nachts neben ihren Männern nur begrenzt Ruhe. Von immerhin 2000 befragten Paaren meinten 22 Prozent der Frauen, dass sie vor allem das Schnarchen ihres Partners stört und viel Schlaf kostet. Fakt ist, dass in der ersten Lebenshälfte Männer häufiger schnarchen als Frauen. Erst ab der Menopause gleichen sich die Schnarchwerte beider Geschlechter an. Manche Frauen macht das Schnarchen ihrer Partner übrigens aggressiv, wohingegen Männer das Schnarchen ihrer Partnerinnen eher niedlich finden. Natürlich gibt es auch noch andere Gründe für den reduzierten weiblichen Schlaf wie die Tatsachen, dass Frauen Unterleibsschmerzen haben können und Alltagsprobleme eher ins Bett mitnehmen, oder sich bei weinenden Kindern zuständiger fühlen als ihre seelenruhig schlafenden Männer.

Regt Heavy-Metal-Musik das wissenschaftliche Denken an? (MDR Jump, 2019)



Ja, das stimmt zumindest zum Teil. Ein kanadischer Psychologe hat heraus gefunden, dass Metal-Fans durch das Hören ihrer Musik unangenehme Lebenssituationen und Ärger bewältigen. Diese intensive Musik dient hier also als Ventil. Außerdem gilt Heavy Metal ja als unkonventionell und antiautoritär. Das sind Tugenden, die ja auch kreatives und wissenschaftliches Denken begünstigen.

Verreist jeder siebte deutsche Erwachsene mit seinem Kuscheltier? (MDR Jump, 2019)



Ja, das stimmt. Es gibt eine repräsentative Umfrage, wonach fast 20 Prozent der Frauen und immerhin noch 11 Prozent der Männer bei Reisen nicht auf ihr Kuscheltier verzichten wollen. Viele behaupten, es sei ihr Glücksbringer oder sie könnten ohne es nicht einschlafen. Manche Menschen haben also zu voreilig geglaubt, erwachsen zu sein. Es gibt aber noch einen anderen Grund. 9 Prozent möchten nämlich als Running Gag an jedem Reiseziel ein Foto mit ihrem Kuscheltier schießen. Schließlich posiert es ja bereitwillig an jedem Ort und vermittelt Vertrautheit, wenngleich es auch in der Welt der Kuscheltiere schwarze Schafe gibt.

Halten Freundschaften nur 7 Jahre? (MDR Jump, 2020)



Also diese Aussage ist nicht falsch. Freundschaften rufen nach Pflege. Sie unterhalten sich nicht von selbst, sondern setzen permanente Bemühungen um gemeinsame Zeit voraus. Nun leben wir jedoch in einer Gesellschaft, in der ständige Weiterentwicklung groß geschrieben wird. Gerade durch soziale Medien können wir ja täglich neue Kontakte knüpfen. Traditionelle Freundschaften können da oft nicht mithalten und lösen sich nach einigen Jahren. Dennoch gibt es einen Unterschied: Echte Freunde packen zum Beispiel bei meinem Wohnungsumzug mit an, wohingegen meine Friends, Contacts und Followers bestenfalls zur Einzugsparty kommen.

Reichen 2 Stunden pro Woche in der Natur, um glücklicher zu werden? (MDR Jump, 2020)



Ja, das stimmt. Der Mensch ist als biologische Art nur ein Teil vom Ganzen einer riesigen Welt des Lebendigen. Und Aufenthalte in der freien Natur erinnern uns da gewissermaßen an unsere evolutionäre Herkunft und wir werden demütiger und glücklicher. Wir modernen Menschen haben uns ja von der Natur weitgehend unabhängig gemacht. Wir ersetzen Kälte durch beheizte Räume und Dunkelheit durch künstliches Licht. Von Zeit zu Zeit nach draußen zu gehen, und sei es nur wenige Stunden pro Woche, heißt den Alltag zu durchbrechen, den Blick zu öffnen für Sonne und Wolken, und für Pflanzen und Tiere, die jetzt gerade ebenfalls mit uns lebendig sind.

Droht die Corona-Stimmung zu kippen? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Man kann sich darauf verlassen, dass autoritäre Maßnahmen immer auch antiautoritäre Reflexe auslösen. Hinzu kommt, dass im Falle von Corona staatliche Behörden mitunter wie Super-Nannies agieren, die auf Bürger schauen als wären es ungezogene Kinder. Dass die Bereitschaft zum Befolgen der verordneten Corona-Maßnahmen sinkt, hängt aus psychologischer Sicht damit zusammen, dass sie unserem Naturell nicht entsprechen. Wir sind soziale Wesen, die miteinander in Berührung kommen wollen. Wir möchten Gesichter lesen, keine Masken. Für eine gewisse Zeit nehmen wir Einschränkungen in Kauf, aber solche Bögen darf man nicht überspannen.

Warum glauben wir an die Stärke unserer Partnerschaften? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Menschen neigen zur Selbstgratulation. Auch in Partnerschaften spricht man sich selbst mehr Glück oder Kompetenz zu als der Durchschnittsbevölkerung. Vor allem möchten wir uns den Eindruck versagen, eine Niete gezogen zu haben. Wer in unsere erotische Schusslinie gerät, auf den lassen wir nichts kommen. Allerdings ist die Liebe ja nur selten ein Dauerbrenner. Auch Partnerschaften besitzen Sollbruchstellen.

Warum lästern wir? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Aus psychologischer Sicht schlägt Lästern zwei Fliegen. Zum einen wird die soziale Beziehung zu denjenigen vertieft, mit denen ich gemeinsam über Nichtanwesende lästere. Zum anderen werden beim Lästern ja die Schwächen anderer Personen betont, sodass ich mich über sie stellen und selbst aufwerten kann. Beispielsweise trafen sich im Mittelalter die Frauen des Dorfes am Waschplatz, um im doppelten Sinne schmutzige Wäsche zu waschen. Sie wurde auf einen Stein geschlagen, wodurch das typische Geräusch entstand, das man noch heute als "Klatsch" bezeichnet.

Warum gucken wir Reality-TV-Formate? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Weil wir dabei in überlegener Muße unsere Fernsehsessel füllen und zuschauen, wie bei anderen Leuten Zankäpfel über den Tisch rollen. Das heißt, ohne persönlich betroffen zu sein, können wir abseits vom Spielfeldrand beobachten, wie Konflikte entstehen. In der Regel stellen wir ja dann mit Schadenfreude oder Genugtuung fest, dass deren knappes Kapital an Seriosität rasch aufgebraucht ist.

Warum gibt es Cancel Culture? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Also wir leben in Erregungsräumen und in einer Therapiekultur. Und die Aktiven der Cancel Culture agieren gewissermaßen als Sozialtherapeuten. Man spürt ethisch Bedenkliches auf und möchte die Gesellschaft dadurch besser machen, indem man Kritikwürdiges offenlegt und ins Abseits stellt. Dass man sich gleichzeitig über Andere erheben kann, löst offenbar gute Gefühle aus.

Warum loben wir so wenig? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Das hat wahrscheinlich evolutionäre Gründe. Mit Kritiken wollen wir eine bestehende Lage ja verändern. Wenn hingegen alles zu unserer Zufriedenheit läuft, besteht für uns ja kein Grund, uns kund zu tun. Vermeintliche Bedrohungen zu bannen, erscheint uns für's erste wichtiger als Beziehungspflege. Wer andere lobt, gewinnt Verbündete. Auch unsere Freunde und Kollegen sind zuweilen vielleicht von Selbstzweifeln geplagt. Und wenn wir ihnen positive Feedbacks schenken, verlieren die von ihnen gewälzten Steine an Gewicht.

Bremst Corona den Führungsergeiz aus? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Wir beobachten schon seit einigen Jahren, dass der Ehrgeiz sinkt, sich für die Arbeit zu verzehren. Gerade jüngeren Menschen ist ein schönes Leben mit viel Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten wichtiger als Gehaltsmaximierungen und Statussymbole. Und durch das coronabedingte Working at Home hat sich dieser Prozess beschleunigt und uns auf den Geschmack kommen lassen. Durch Videokonferenzen haben viele ja auch gelernt, sich selbstbewusster zu verkaufen. Die Hierarchien in Unternehmen werden flacher und das Chefsein nicht mehr so reizvoll.

Wie blendet man Probleme aus? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Möchte man Dinge innerlich ausblenden, muss man eine Außenperspektive einnehmen. Man stellt sich in diesem Jahr 2020 beispielsweise vor, es sei bereits 2030 und man schaut 10 Jahre zurück. Dann ist zwar das damalige Problem sichtbar, aber zugleich auch viele intakte Dinge. Beispielsweise war im Jahr 2020 trotz mancher Probleme die persönliche Gesundheit doch weitgehend stabil, es bestand keine materielle Notsituation, und die Kinder haben sich eigentlich ganz gut entwickelt.

Macht uns Liebe dicker? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2020)



Wenn wir uns am Anfang einer Beziehung wohlfühlen, nehmen wir zunächst zu und die äußere Fülle ist Ausdruck der inneren Fülle. Sobald wir aber einen allzu geräumigen Schatten werfen und vielleicht einen potenziell neuen Partner kennenlernen, beginnen wir zu kippen. Wir möchten dann für sie oder ihn attraktiv sein und legen plötzlich wieder mehr Wert auf Abnehmen und Sport und Körperpflege. Sollten beim bisherigen Partner dann die Alarmglocken schrillen, wäre es übrigens kein Fehler, mit der gesunden Lebensweise gleich zu ziehen.

Verraten uns optische Täuschungen? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2021)



Grundsätzlich stimmt es schon, dass es etwas über uns aussagt, was wir zuerst sehen. Bei sogenannten Kippbildern geht unser Gehirn zunächst von demjenigen aus, was in unserer Wahrnehmung häufiger vorkommt. Das heißt: Sind wir auf etwas vorrangig geprägt, wird unser Gehirn dies dann zuerst wiedererkennen wollen. Wer beispielsweise viele Frauen im Kopf hat, sieht sie überall. Und geht uns ein Mann oder Männer im Kopf herum, dann suchen wir auch Bilder zuerst danach ab. In gleicher Weise sind uns einige Tiere näher als andere und dies wirft dann ein Licht auf uns.

Was bedeutet Telefonphobie? (Hörfunksender M94.5 der Mediaschool Bayern / Ludwig-Maximilians-Universität München, 2021)



Was der Volksmund Telefonphobie nennt, ist eine Spezialform von sozialen Phobien, bei denen die Betroffenen sich vor bestimmten Alltagssituationen ängstigen. Hier ist es die Angst, mit fremden Menschen ein Telefongespräch zu führen.
Man kann sich vor Telefonaten ein paar Stichpunkte notieren, tief ausatmen und ein Lächeln durch das Gerät schicken. Je fleißiger wir üben, desto souveräner werden wir.

Wie gehen wir mit neuen Verfilmungen um? (Radio Brocken, 2021)



Das menschliche Gehirn arbeitet letztlich wie das Zentralkomitee einer Partei, die zu lange an der Macht war. Wir richten uns ein auf das von uns schon Gekannte und wir verlassen nur höchst ungern festgefahrene Muster.

Wie gewinnen wir die Kontrolle über unser Kommentierverhalten zurück? (Radio Brocken, 2021)



Kultivierte Menschen erkennt man ja daran, dass sie, wenn sie sich gereizt fühlen, nicht einfach reagieren, sondern reflektieren. Man darf nämlich seine Feinde nicht hassen, denn das trübt die eigene Urteilskraft. Da uns unsere elektronischen Endgeräte jederzeit nahe liegen, fällt die Hemmung vor einer Kommentierung schwerer als das Posten.
Hass trifft nicht den Gehassten, sondern vergiftet den Hassenden. Deshalb sollten wir im besten Fall niemals ausrasten, sondern innerlich in einen reflektierten Modus einrasten. Am besten gelingt dies, wenn man vor dem Posten sich eine kurze Essenspause verordnet oder eine Nacht darüber schläft.

Ist Gähnen ansteckend? (MDR Jump, 2021)



Ja, das ist ein Fakt. Die ansteckende Wirkung des Gähnens wird vor allem den Spiegelneuronen zugeschrieben. Also Nervenzellen, die beim Betrachten eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster im Gehirn auslösen wie bei dessen eigener Ausführung. Gähnen dient also auch der Synchronisierung von sozialen Gruppen und ist umso ansteckender, je besser sich deren Mitglieder kennen. Das funktioniert sogar über biologische Artgrenzen hinweg. So lassen sich beispielsweise auch Hunde vom Gähnen ihrer Besitzer anstecken, sodass ihre Lärmwut vorübergehend gestillt ist.

Bekommt man größere Portionen, wenn man Trinkgeld gibt? (MDR Jump, 2021)



Ja, das ist ein Fakt. In einer Studie der Universität Innsbruck wurden 800 Döner und 100 Eisbecher von Testkäufern in Graz, Innsbruck und München erworben. Bereits während der Bestellung legten sie einen aufgerundeten Betrag auf den Tresen mit den Worten "Der Rest ist für Sie" oder ließen etwas in die Trinkgeldbox fallen. Die Eiskunden erhielten darauhin im Schnitt 17% mehr Eis und die Dönerkunden mehr Fleisch. Interessanterweise zahlt sich Freundlichkeit generell aus: Wurden von den Testkäufern beim Bestellvorgang Komplimente gemacht wie "Sie haben das beste Eis der Stadt" oder "Nirgends schmeckt mir der Döner besser als bei Ihnen", dann wurden automatisch die Portionen größer und liebevoller angerichtet. Als Psychologen sprechen wir von Reziprozität: Je netter man in den Wald aus Menschen hinein ruft, desto angenehmer das Echo.

Ist Liebeskummer so schmerzhaft wie kalter Drogenentzug? (MDR Jump, 2021)



Ja, das ist ein Fakt. Das Zentrum der Liebe ist nämlich nicht das Herz, sondern das Gehirn. Im Zustand des Verliebtseins werden Hirnareale aktiviert, die auch auf Opiate und Kokain ansprechen. Unser Begehren wird also quasi durch Neurotransmitter belohnt, woran man sich ähnlich einer Sucht gewöhnen kann. Werden unsere Liebeswünsche frustriert, sind wir kalt ausgebremst. Im übrigen ist dies keine Frage des Alters, denn Liebesfantasien können auch dann noch in Schwung kommen, wenn bereits letzte Ernte auf dem Halm steht. Sie bringen ja den Männern die Illusion von Langlebigkeit ein und den Frauen die rosigen Wangen.

Wie sollten wir Vorsätze fassen? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2021)



Natürlich ist es günstig, Neujahrsvorsätze konkret zu formulieren, sie schriftlich festzuhalten und mit anderen Menschen zu teilen. Aber als Psychologe würde ich eher zu selbstgestellten Fragen raten. Beispielsweise: Weiß ich, was ich brauche? Wie viel Geld möchte ich besitzen? Hätte ich mich selbst gern zum Freund? Und dann: Wobei genau helfen mir die von mir gefassten Neujahrsvorsätze? Wenn wir dann Probleme mit dem Durchhalten haben, sollten wir uns fragen: Was hielt mich heute davon ab? Überzeugt mich meine Selbstkritik?

Warum wiederholen sich Trends? (BB Radio Länderwelle Berlin/Brandenburg, 2022)



Die Wiederkehr vieler Trends ist nicht einer mangelnden Fantasie geschuldet, sondern der Sehnsucht nach einer als schön erlebten Vergangenheit. Menschliche Erinnerungen können nämlich verblassen, ohne aber die alten Gefühle zu ersticken. Sie schaukeln dann vor uns als eine vage Verheißung wie eine goldene Frucht im Laubwerk unserer Seele. Durch das Wiederaufleben eines alten Trends fühlen wir uns gleich jünger und es steigen damalige innere Zustände wieder auf, die unbewusst in all den Jahren anhänglich geblieben sind.

Hält sich nur jeder Fünfte an seine Neujahrsvorsätze? (MDR Jump, 2022)



Ja, das stimmt. Untersuchungen zeigen, dass mehr als ein Drittel der Deutschen ein altes Jahr nicht apathisch verlässt, sondern mit fanatischen Vorsätzen in den Augen. Sich gesünder ernähren zu wollen, rangiert dabei auf Platz 1, wenngleich sich so ein profilschwaches Vorhaben ja auf kürzester Strecke gut ändern lässt. Im tiefsten Herzen gibt es nämlich auch einen Willen zur Ohnmacht gegenüber unserem angeblich schwachen Fleisch. In Befragungen geben aber zumindest 20% an, sich in ihren Vorsätzen nicht beirren zu lassen. Als Psychologe plädiere ich übrigens bei allen Entschließungen für das Menschlichere und das Maß: Hohe Berge werden selten im ersten Anlauf bezwungen.

Macht Kaffee aus weißen Tassen wacher? (MDR Jump, 2022)



Nein, das ist ein Fake. Zunächst stimmt es zwar, dass Untersuchungen einen Einfluss der Tassenfarbe auf unser Geschmacksempfinden festgestellt haben. Im Gegensatz zu blauen oder durchsichtigen Glastassen wirkt Kaffee aus einer weißen Tasse auf uns etwas intensiver im Aroma. Als Grund wird vermutet, dass wir die Farbe Braun generell mit Bitterkeit assoziieren und eine weiße Tasse durch den Kontrast zum dunkelbraunen Kaffee ein erwartetes bitteres Geschmackserlebnis besonders hervorhebt. Für den antriebsfördernden Effekt ist jedoch das Koffein entscheidender, welches den müde machenden Botenstoff Adenosin von den Nervenzellrezeptoren verdrängt. Unabhängig von Tassenfarben darf Kaffee morgens also gern der charakteristische Geruch unseres Hausstandes sein.

Leidet jeder zweite Schüler unter Prüfungsangst? (MDR Jump, 2022)



Ja, das ist ein Fakt. Vor Prüfungen besetzt fast jeden zweiten Menschen Angst. Aber es liegt keine Schande in der Furcht vor der Schlacht. Mittelgroße Prüfungsangst ist nämlich ein Programm unseres Gehirns zur Leistungssteigerung. Durch sie wird unser Wachheitsgrad erhöht und unsere Konzentration geschärft. Außerdem steigert sich unser Reaktionsvermögen. Wenn sich vor Prüfungen also Unruhe mehrt, so ist dies auch ein Zeichen dafür, dass unsere Psyche vorab Aktivierungen übt. Durch welche schwere Prüfungen wir auch gehen mögen, sollten wir uns immer gegenwärtig halten: In letzter Instanz ist jedes Individuum stark wie die Welt.

Machen Ferien dumm? (MDR Jump, 2022)



Nein, das ist ein Fake. Man könnte ja meinen, bei einer mehrwöchigen Ferienzeit würde sich quasi die Festplatte des Gehirns von selbst löschen und die Menschen würden sich dem stumpfsinnigen Vergessen zum Fraße hinwerfen. Tatsächlich findet eher eine Defragmentierung statt. Das heißt, die verstreute Speicherung von Datenblöcken wird durch die Zeit der Muße zu einem ganzheitlichen Wissensstand zusammengeführt. Einmal Gelerntes wird nicht komplett vergessen, sondern wir kommen zu einem ruhigen Ins-Auge-Fassen der Welt. Wie bei einem Jetlag dauert nach Ferienende dann die Wiedereingliederung nur wenige Tage. Es besteht also kein Grund zur Sorge: Am ruhigen Fluss ist das Ufer voller Blumen.

Weinen wir schneller im Flugzeug? (MDR Jump, 2022)



Ja, das stimmt. Zumindest legen das Untersuchungen nahe, wonach 15% der Männer und 6% der Frauen angeben, in Flugzeugen eher zu weinen als woanders, wenn sie während des Fluges emotional aufwühlende Filme schauen. Um dies zu verstehen, muss man zunächst wissen, warum wir Menschen überhaupt weinen. Entgegen landläufiger Meinung, ist Weinen nämlich gar kein Ausdruck von Trauer, sondern von Machtlosigkeit. Deshalb weinen wir auch Tränen aus Rührung. Sobald wir uns ohnmächtig gegenüber starken emotionalen Momenten fühlen, versucht der Hypothalamus im Gehirn, uns an diese Belastung anzupassen. Durch die Auslösung der Körperreaktion des Weinens soll das emotionale Gleichgewicht wieder hergestellt werden. Im Flugzeug verschärft sich nun die Situation. Sauerstoffgehalt und Luftdruck sind geringer, wir sitzen eingepfercht auf unseren Plätzen, sind hilflos den Maschinen ausgeliefert und warten auf den Absturz. Das bemutternde Verhalten der Stewardessen macht uns quasi zu Kindern, sodass wir emotionaler agieren und nach einem langen Flug unfrisch und reparaturbedürftig aussehen.

Brauchen wir zum Gesundbleiben ein Mindestmaß an Arbeit? (MDR Jump, 2022)



Ja, das ist ein Fakt. Bereits das Aussehen mancher Menschen lässt ja ihre Arbeitslast ahnen. Gleichgültig, ob wir körperlich als Bauern ackern müssen oder nur Gedankenarbeit zu verrichten haben, sind die meisten durch ihre Tätigkeiten gänzlich in Anspruch genommen. Hierbei ist der Name "Burn-Out" so suggestiv, dass er uns motiviert, daran zu leiden. Allerdings existiert auch das Gegenstück eines "Bore-Out". Studien haben nämlich gezeigt, dass wir Menschen an den gleichen depressiven Symptomen, Antriebsarmut, Schlaflosigkeit, Tinnitus, Kopfschmerzen und Infektionsanfälligkeit zu leiden beginnen, wenn wir dauerhaft unterfordert sind oder schlichtweg zu wenige Stunden arbeiten. Minimal 20 Stunden sinnvolles Tun pro Woche für das Gefühl von Selbstwirksamkeit sollten es schon sein. Wenn unser Kalender also wütige Arbeitsphasen verplant, ist dies oft gesünder als wir selbst glauben.

Benötigt man 3 Wochen Urlaub für wirkliche Erholung? (MDR Jump, 2022)



Nein, das ist ein Fake. Das Leben ist das, was unsere Gedanken daraus machen. Wer glaubt, dass für ein Herunterfahren eine mehrwöchige Enthaltung von Tat und Arbeit nötig sei, wird danach trotzdem feststellen, dass die im Urlaub gesammelten Kräfte rasch wieder verzehrt sind. Stattdessen kommt es, wann immer unsere geistige Produktion auf der Kippe steht, auf kurzes intensives Loslassen nebst Perspektivwechsel an. Hierfür genügt auch ein schönes Wochenende, da die Natur uns so gebaut hat, dass wir unser Leben bewältigen können. Letztlich sind wir nämlich keine Tropfen im Ozean, sondern jeder von uns ist ein gesamter Ozean in einem Tropfen.

Lassen Sternschnuppen Wünsche wahr werden? (MDR Jump, 2022)



Mmh, naja, das ist gar nicht so abwegig wie es klingt und stimmt sogar ein bisschen. Der Homo sapiens, dessen Geist so viele Siege über Finsternis und Aberglaube eingefahren hat, ist bei der Umsetzung seiner Wünsche nämlich auf klare Ziele angewiesen. Wer imstande ist, beim Erblicken einer Sternschnuppe sofort einen konkreten Wunsch zu formulieren, hat die erste Hürde bereits genommen, weiß also längst, was er will und wirkt bewusst oder unbewusst auf Erfüllung hin. Schlechter sieht es aus bei denjenigen, die bei einer Sternschnuppe erst lange überlegen müssen, was sie sich wünschen sollen, zunächst eine Wunsch-Prioritätenliste aufstellen, diese dann vielleicht mehrfach überarbeiten, die Angelegenheit erst einmal überschlafen oder mit dem Psychologen besprechen wollen. So klappt es weder bei Sternschnuppen, noch bei vierblättrigen Kleeblättern oder gefundenen Hufeisen.

Haben Menschen mit Geschwistern bessere Chancen auf ein glückliches Leben? (MDR Jump, 2022)



Nein, das stimmt nicht. Früher glaubte man einmal, Einzelkinder seien von Hause aus egoistisch und verwöhnt, als hätte man ihnen den Kindermund immer nur mit Bonbons gestopft. Dagegen bekämen Geschwister eine höhere soziale Veranlagung mit auf den Weg und könnten deshalb auch später glücklicher kooperieren. Neuere Forschung hat aber gezeigt, dass Einzelkinder viel besser als ihr Ruf sind und sich nicht wesentlich anders verhalten als Menschen mit Geschwistern. In puncto Selbstbewusstsein lassen Einzelkinder tendenziell seltener etwas zu wünschen übrig und sind daher öfters in Führungspositionen zu finden. Letztlich wurden wir aber alle mit Flügeln geboren und sollten uns stets überlegen, wofür wir dankbar sind.

Sind Frühaufsteher glücklicher als Langschläfer? (MDR Jump, 2022)



Ja, inzwischen gibt es mehrere Studien, die belegen, dass Frühaufsteher nicht nur effizienter ihren Tag gestalten, sondern auch das Risiko von Depressionen senken. Sie sind dem natürlichen Sonnenlicht länger ausgesetzt und haben außerdem das gute Gefühl, morgens bereits etwas geleistet zu haben. Mit Seufzern erheben sich dagegen Langschläfer oft so mühsam, als hätten sie Wurzeln geschlagen und unterbrächen nun, Fäden und Erdreich mitziehend, das gerade begonnene Wachstum. Im Idealfall sollten wir also unser inneres Licht genau entgegengesetzt an- und ausschalten wie die Straßenlaterne vor dem Haus.

Sind chaotische Menschen intelligenter? (MDR Jump, 2022)



Ja, einige Studien haben ergeben, dass intelligente Menschen überdurchschnittlich oft durch ihre Unordnung hervorstechen, übrigens aber auch durch längeres Aufbleiben nachts und häufigeres Fluchen tagsüber. Man meinte, dass ihr Hirn mit Wichtigerem beschäftigt sei als mit Aufräumen und Nettsein. Besonders kreative Prozesse lieben das Chaos und ordnen die Welt nicht wie ein Verwaltungsbeamter nach dem Schema seiner Akten. Die gute Nachricht ist, dass Intelligenz nie umverteilt werden muss, denn jeder ist überzeugt, er habe genug davon.

Ist Mittwoch der schlimmste Tag der Woche? (MDR Jump, 2022)



Ja, das legt zumindest eine Studie zweier Mathematiker von der Universität Vermont nahe, die vier Jahre lang mehrere Millionen Blogs und Twitter-Nachrichten auf einen Anfangssatz wie "Ich fühle mich heute schlecht" abgeklopft haben. Tatsächlich wurden solche Sätze vorrangig am Mittwoch bekundet, wohingegen am Montag offenbar noch der entspannte Sonntag gut nachwirkte. Als Psychologe halte ich es aber der Betrachtung wert, dass das Leben immer das ist, was unsere Gedanken daraus machen. Flößt uns also ein Mittwoch Missbehagen ein und glauben wir eine Verzagtheit des ganzen Körpers wahrzunehmen, können wir uns wenigstens sagen: Nur in der Dunkelheit sieht man die Sterne.

Ist zu viel Kultur schädlich? (MDR Jump, 2022)



Ja, da ist etwas dran. Kultur ist nicht nur eine Art linkes Hobby, sondern aus psychologischer Perspektive zum großen Teil die Bewirtschaftung von Langeweile. Seit mehreren Jahrzehnten kreist jedoch unsere Kultur fast ausschließlich um drei negative Themen, nämlich: die Einsamkeit des Menschen, die Abgewandtheit Gottes, die Unbewohnbarkeit der Erde. Liefert man sich dieser Verstörung nun über Gebühr aus, beginnt sie auf uns abzufärben und lässt uns am Ende womöglich noch daran glauben, man selbst ähnele einem Müllsack auf der Seins-Halde.

Warum kommt es zu Streits im Urlaub? (MDR Sachsen-Anhalt, 2023)



Naja, durch die Brille des Psychologen bedeuten Urlaube ja die ekstatische Konzentration der Freizeit. Die Erwartungshaltung ist hoch, eine gute Zeit zu verleben. Allerdings entstehen im Urlaub durch die Freistellung von äußeren Verpflichtungen überschüssige Energien, die von vielen Paaren genutzt werden, die Streitaxt auszugraben. Nach Mahlzeiten am Hotelbuffet darf man wahrlich als gesättigt gelten, der Gummizug mancher Hose macht schlapp und auf Tagesausflügen wird viel Kaugummi bewegt. All dieses Zuviel an Muße setzt uns zu und lässt unsere gewöhnliche Alltagsdisziplin brüchiger werden.
Manchmal fühlen wir im Schädel einen Sturm, der nicht weiß, in welche Richtung er loslegen soll. Bevor sich dann ein Streit unorthodox hochschaukelt, hilft es, mit nachsichtiger Milde aufeinander zu schauen. Auch der Andere hat seine Beweggründe für seine abweichenden Positionen und jetzt das Recht auf einen schönen Urlaub.

Warum essen wir den besten Happen zum Schluss? (Radio R.SA, 2023)



Früher aß man sein Fleisch mit sichernden Blicken nach rechts und links. In der heutigen Wohlstandsgesellschaft mit ihrem Überangebot an Lebensmitteln brauchen wir gute Stücke nicht mehr in der Ecke verschlingen. Niemand schnappt uns etwas weg, aber das evolutionäre Erbe wirkt fort. Die Psychoanalyse will wissen, dass es uns Vorlustgewinn verschafft, wenn wir den köstlichsten Happen bis zum Schluss aufbewahren. Beißt man zu früh in ihn ein, wartet noch ein dickes Ende auf uns.

Schadet Getrenntschlafen der Partnerschaft? (Ostseewelle Hit-Radio Mecklenburg-Vorpommern, 2023)



Generell gilt im Leben: Wenn wir nicht genau sagen können, was wir gerade am dringendsten brauchen, dann ist es immer Schlaf. Insofern wird die Befriedigung der biologischen Bedürfnisse mit zunehmendem Alter wichtiger. Haben sich junge Menschen noch problemlos im schmalen Bett ineinander gefügt, werden sie später unduldsamer bezüglich der Schnarch- und sonstigen Körpergeräusche des Partners. Getrenntschlafen ist dann auf lange Sicht der Beziehung eher zuträglich. Es liegt ja auch im Auge des Betrachters, ob wir unser Bett als halbleer oder als halbvoll erleben.

Kann man durch morgentliches Bettenmachen zum Millionär werden? (MDR Jump, 2023)



Nein, das stimmt in so einfacher Verknüpfung leider nicht. Allerdings hat der amerikanische Sozioökonom Randall Bell veröffentlicht, dass die Wahrscheinlichkeit, reich zu werden, um über 200% ansteigt, wenn man seinen Lebensraum ordentlich hält. Das Bettenmachen ist hierbei typisch für disziplinierte Morgenmenschen, wohingegen faule Langschläfer darauf eher verzichten. Das Bett, das unserer Ruhe und gelegentlichen Schlaflosigkeit den Rahmen gibt, ist also ein Symbol für unser sonstiges Leben. Wer sich bereits am Abend unter der Bettdecke zur Mumie rundet und sich morgens zur Ordnung ruft, dessen Nachtleben ist auf recht harmlose Art geregelt und er wird oft auch beruflich erfolgreicher sein als jemand, der gern in nächtlich geöffneten Erfrischungsstätten rastet.

Macht das Streben nach Glück unglücklich? (MDR Jump, 2023)



Nein, das stimmt nicht. Zwar wird immer wieder behauptet, dass es uns unter Stress oder gar Zeitdruck setzen würde, ständig dem Glück hinterher zu laufen. Als Psychologen sehen wir aber, dass Menschen durchaus nach Glück streben sollten, um dadurch schrittweise die bewusste Wahrnehmung für schöne Momente zu schärfen. Wer sich diesem Ziel nicht stellt, neigt viel eher dazu, eigene Unzufriedenheiten mit dem vermeintlich besseren Alltag der anderen zu vergleichen, was ja geeignet ist, dem Leben den Stempel des Unbehaglichen aufzudrücken. Allzu oft glauben wir nämlich, dass im Inneren der Lebenswelt von Mitmenschen Temperaturen herrschen, die wir selbst entbehren. Wir meinen, Andere leisteten sich quasi ein Leben in den psychologischen Tropen, während wir selbst uns auf Permafrost mit bestenfalls kurzem Sommer eingerichtet haben. Wer jedoch nach Glück strebt und den Blick auf eigene Glücksempfindungen richtet, der bewahrt einen achselzuckenden Gleichmut.

Ist Frühjahrsputz gesund? (MDR Jump, 2023)



Ja, das legt uns die Psychologie nahe. Solange nämlich vor dem Fenster Winter ist, setzt uns das trübe Wetter zu und auch unsere inneren Lichter sind ein wenig herabgebrannt. Wenn dann endlich der Himmel Farbe annimmt, belebt sich die gesamte Natur. Nehmen wir uns jetzt des Schmutzes und der Unordnung in unserem Zuhause an, kehren wir zugleich unseren Wintergrimm aus. Aus Studien weiß man, dass wir uns in einem sauberen und aufgeräumten Umfeld nachweislich wohler fühlen. Durch Frühjahrsputz machen wir also auch innerlich Platz für die neue Knospenbotschaft des März.

Fühlen sich Hinwege länger an als Rückwege? (MDR Jump, 2023)



Ja, das ist ein Fakt. Wir befinden uns auf Hinwegen nämlich in größerer Nervosität und setzen Hoffnungen in das Ziel. Dadurch wird unser subjektives Zeitempfinden verlangsamt. Überdies brechen wir zu unseren Reisezielen ja von unserem vertrauten Zuhause auf, dessen Umgebung wir noch im Radius etlicher Kilometer gut kennen. Hier sind wir hier ortskundig und bis in die umliegenden Felder hinein bewandert. Auch die Fahrt zur Autobahn oder zum Bahnhof kennen wir noch wie unsere Tasche und bekommen erst nach mehr als einer Stunde das Gefühl, jetzt erst richtig unterwegs zu sein, was die empfundene Fahrtzeit des Hinwegs verlängert. Auf dem Rückweg hingegen meinen wir, unser Zuhause fast schon erreicht zu haben, sobald der Name unseres Heimatortes erstmals irgendwo auf Schildern auftaucht und finden dann erstaunlich, wie schnell alles ging.

Wirken Urlaubsorte beim zweiten Mal nicht so schön wie abgespeichert? (MDR Jump, 2023)



Ja, aus psychologischer Sicht stimmt das. Wenn wir uns nämlich auf eine Reise begeben, suchen wir Loslösung vom Alltag und neue Eindrücke. Sagen wir dann von einem Urlaub, er sei traumhaft gewesen, kamen offenbar viele schöne Dinge zusammen: Eine Landschaft von ungekannter Herrlichkeit, nette Menschen und einzigartige Erlebnisse. Im besten Fall zeigte auch das Wetter sich im Einvernehmen mit unserem Ferienkalender. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer späteren Wiederholung erneut gleichzeitig alle Faktoren glücklich versammelt zu finden, ist jedoch ernüchternd niedrig.

Sind Hausaufgaben während der Ferien sinnvoll? (MDR Jump, 2023)



Nein, das ist falsch. Viele meinen ja, dass Kinder, solange ihnen der Schulranzen anhängt, effektiv ihre Zeit nutzen müssten wie Erwachsene. Tatsächlich zeigen aber psychologische Studien, dass unsere Sprösslinge in den Ferien keinesfalls verdummen, sondern das bisher Gelernte sacken lassen. Hausaufgaben wären hier ein unnötiger Stressfaktor, denn eigentlich würde es schon ausreichen, in der unterrichtsfreien Zeit in ruhiger Muße im Sessel zu sitzen und den von Eiscreme gefüllten Magen zu bewachen. Glücklicherweise finden nach Ferienende alle Beteiligten innerhalb weniger Tage zur Routine zurück, wenn wir unsere Kinder jetzt wieder der Schule zutreiben müssen.

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