Beiträge für einen Podcast (9)


Warum unterliegen wir Täuschungen? (BB Radio, 2021)



Dem Menschenverstand macht man oft das unverdiente Kompliment, ihn den "gesunden" zu nennen. In Wirklichkeit ist er jedoch ausgesprochen bequem und zieht für gewöhnlich nur das in Erwägung, was schnellen Einordnungen sowie Mustererkennungen dient. Wir meinen dann, es verstanden zu haben, womit das Täuschungsrisiko steigt. Sogar unsere wissenschaftlichen Theorien sind oft Übereilungen eines ungeduldigen Verstandes, der die Phänomene innerlich gern loswerden möchte.

Warum vergessen wir wichtige Termine? (BB Radio, 2021)



Die Psychoanalyse will wissen, dass es sogenannte Fehlleistungen gibt, die auf unbewusster Ebene durchaus Sinn stiften. Auch beim vorübergehenden Vergessen manifestieren sich demnach unbewusste Regungen. Das heißt, wir vergessen beispielsweise diejenigen Termine, die wir im tiefsten Herzen unangenehm finden und eigentlich nicht wahrnehmen möchten. Beispielsweise gibt es Menschen, die staatlich-amtlichen Dingen nur geringe Aufmerksamkeit zu schenken gewohnt sind. Aus innerer Abwehr üben sie dann, alle Vorsicht vergessend, in diesen Dingen eine gewisse Nachlässigkeit.

Warum leben wir ungern mit Schulden? (BB Radio, 2021)



Wer mit Schulden stirbt, hat Gewinn gemacht. Solange wir jedoch leben, ist ein Gläubiger im Nacken ein ständiger Unruheherd. Wir fühlen uns unfrei, da wir Unangenehmes vom Tisch haben möchten und es uns ein befriedigendes Gefühl gibt, quitt zu sein. Demgegenüber werden in der Kreditwerbung spontane Wünsche mit einer Legitimationskraft ausgestattet als seien sie hinzunehmende Naturereignisse. Aber hier gilt die Daumenregel: Hast du einen 30.000-Euro-Kredit, gehörst du der Bank. Hast du einen 300-Millionen-Euro-Kredit, gehört die Bank dir.

Warum träumen wir? (BB Radio, 2021)



Sigmund Freud meinte, in unseren Träumen sprächen sich unbewusste Wünsche aus. Beispielsweise wird eine Person, die unsere Liebe im realen Leben nicht erwidert, uns in Träumen fasslich. Wissenschaftliche Forschung sieht im Traum eher eine emotionale Verarbeitung von Erlebtem oder eine virtuelle Realität, in der wir Verhaltensmuster durchspielen und einüben können. Vielleicht sind Träume aber auch nur zufällige Verknüpfungen von Erinnerungen. Was wir irgendwo schon einmal gesehen haben, wird miteinander kombiniert, auch Monster oder die Fähigkeit zum Fliegen. Demnach kommt uns in Träumen nicht wirklich Neuland in Sicht.

Warum halten wir gute Vorsätze schlecht durch? (BB Radio, 2021)



Wir sehen uns gern mit fanatischen Vorsätzen in den Augen. Allerdings lässt unser Durchhaltevermögen dann zu wünschen übrig. Der Grund liegt darin, dass es uns Menschen vergleichsweise wenig Mühe kostet, Pläne zu schmieden, jedoch erweist sich deren Umsetzung oft als zäh und wir suchen dann Abrückung durch einen neuen Fokus. Grundsätzlich ist es im Leben viel wichtiger, in den Teller hinein zu schauen als immer nur über den Tellerrand hinaus.

Warum sind wir oft unzufrieden? (BB Radio, 2021)



Menschen sind oft unzufrieden, weil sie gedankenverloren sind. Wir verlieren die Konzentration auf das Schöne im Leben, wenn wir Wünschen oder Verlusten nachhängen, wenn wir Liebe missen oder Rache suchen, oder wenn wir unschlüssig sind zwischen Böse und Gut. Hier hilft es, dem uns Gegebenen zuzustimmen. Innere Ruhe heißt: Pulsieren mit der Erde.

Warum lieben wir Rabatt-Aktionen? (BB Radio, 2021)



Wir Menschen sind biologische Beutegreifer und lauern wie andere Raubtiere auf Beute. Jedoch reißt ein Löwe nicht die allerfitteste Antilope aus der Herde, sondern die leichter zu erlegene langsamste. Nach dem gleichen Muster springen wir bei Sonderangeboten an. Sobald sich uns eine Möglichkeit zum Sparen bietet, glauben wir uns im Vorteil gegenüber unseren Artgenossen und meinen diese ressourcenschonende Gelegenheit beim Schopfe packen zu müssen. Hier kommen also alte evolutionäre Module ins Spiel, die durch geeignete Auslöser auch heute noch anspringen.

Warum fällt uns das Bewahren von Geheimnissen schwer? (BB Radio, 2021)



Wer Interessantes zu berichten hat, wird von anderen wohlwollend wahrgenommen. Der Reiz des Geheimnisverrats besteht also darin, bei mehreren Menschen Gehör zu finden und deren Neugier zu befriedigen, wohingegen das Bewahren von Geheimnissen nur die Bindung zum Anvertrauenden stärkt. Die Kenntnis einer Versuchung schützt uns nicht davor, ihr zu erliegen. Nicht jeder besitzt hier die Kraft, sie innerlich niederzukämpfen.

Warum tanzen wir? (BB Radio, 2021)



Musik ist tänzerisch zu den Muskeln redend. Wird uns ein Rhythmus vorgegeben, brauchen wir nur in ihn hinein zu gehen, um unseren Körper als harmonische Ganzheit zu erleben. Das heißt, Tanzen erfasst unseren gesamten Körper und lässt ihn uns als Einheit wahrnehmen. Hat uns eine Musik tanzlustig gestimmt, können wir uns selbstvergessen bewegen. Deshalb findet sich in jeder noch so archaischen Kultur wenigstens ein stampfender Rundtanz.

Warum fällt uns Zusammenarbeit manchmal schwer? (BB Radio, 2021)



Wir leben in einer Zeit wachsender individueller Unabhängigkeit und schwindender kollektiver Verpflichtungen. Deshalb bereitet es uns zunehmend Mühe, jenseits von Individualinteressen die Bedürfnisse einer Gruppe wahrzunehmen. Je mehr Akteure dann in einem Ereignisraum agieren, desto höher steigt die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen. Allen holistischen Suggestionen zum Trotz, existieren wir nämlich für gewöhnlich aneinander vorbei. Aus simultanem Dasein entsteht noch kein System, sondern zunächst nur ein Feld von Koexistenzen mit chaotischen Merkmalen.

Warum sind uns unsere Haare wichtig? (BB Radio, 2021)



Unsere Haare erscheinen wie kleine Antennen, die ein Frisur-Signal an unsere Mitmenschen aussenden. Im Gegensatz zum Fell anderer Säugetiere bleibt uns quasi nur die Kopfbehaarung, um Eindruck zu machen. Eine gepflegte Frisur möchte Gesundheit und einen gewissen Wohlstand zeigen. Wenn junge Frauen ihr Haar hochstecken, wirkt dies unternehmungslustig. Aber auch alte Männer beleben noch mit einer Bürste ihren Haarkranz um die stets mit Glanzlichtern versehene Glatze.

Warum glauben wir an die große Liebe? (BB Radio, 2021)



Die ganz große Liebe ist für viele Menschen nur ein Gegenstand der Einbildungskraft, nicht der Erfahrung. Das macht aber nichts, denn auch eine mittelgroße oder kleine Liebe hält Glück bereit. Allein schon der Glaube an die perfekte Ergänzung für uns macht offenherziger. Es existiert ein urmenschliches Bedürfnis nach Auflösung unserer persönlichen Grenzen und nach seelischer Hingabe. Hat die Liebe einen Knochen geworfen, empfinden wir mit Herzklopfen etwas von dem machtvollen Versprechen des Lebens.

Warum sind wir an der Supermarktkasse ungeduldig? (BB Radio, 2021)



Als moderne Menschen sind wir es gewohnt, Zeit effektiv zu nutzen. An der Supermarktkasse fühlen wir uns jedoch untätig allen Stockungen ausgeliefert. Gleichzeitig sind wir der Auffassung, es lohne sich jetzt nicht, das Handy heraus zu holen. In diesem Gedanken herrscht aber zu wenig Folgerichtigkeit. Wenn uns treibende Ungeduld erfüllt, können wir durchaus zum Smartphone oder sogar zum mitgeführten Buch greifen, damit uns der Faden nicht reißt.

Warum fasziniert uns Eleganz? (BB Radio, 2021)



Die Schönheit von Menschen wird nicht allein durch deren körperliche Beschaffenheit und geschmackvolle Kleidung bestimmt, sondern zugleich auch durch Geschmeidigkeit in den Bewegungen, durch Anmut und Gewandtheit und durch ungezwungene Leichtigkeit. Wir nennen all dies dann Eleganz und sehen sie gern, da sie den Eindruck des Wohlgefälligen macht und Ausdruck formvollendeter Kultiviertheit ist. Allerdings darf natürlich nicht dergestalt übertrieben werden, dass jemand blasiert den Fuß aufsetzt wie bei einem Menuett.

Warum haben wir Furcht vor Wohnungseinbrüchen? (BB Radio, 2021)



Unser Zuhause ist quasi das Kokon unseres Körpers. Deshalb empfinden wir fremdes Eindringen wie eine Verletzung unserer privaten Intimsphäre. Für Einbrecherbanden hingegen erscheint Westeuropa wie das offene Meer, auf dem den Piraten gehört, was ihnen in die Hände fällt. So gesehen sind Einbrecher die Vertreter einer uralten archaischen Ökonomie, in der es ein Primat der Aneignung gegenüber der Produktion gab. Über Jahrhunderte hinweg blieben sie Jäger und Sammler, die sich der feudalen Versklavung ebenso entzogen haben wie der Domestikation durch den kapitalistischen Arbeitsvertrag.

Warum glauben wir immer, Recht zu haben? (BB Radio, 2021)



In der Psychologie sprechen wir vom sogenannten Motivated Reasoning. Dahinter verbirgt sich der Effekt, dass unser Denken unbewusst immer zu demjenigen Ziel gelenkt wird, das emotional für uns wünschenswerter ist. Wir üben uns also ständig im Zurechtsehen unserer Welt und suchen am liebsten nach Bestätigungen unserer Vorannahmen. Am Ende geben wir uns selber in allen Punkten recht.

Warum empfinden wir Glück? (BB Radio, 2021)



Das ganze Leben ist letztlich ein Haschen nach Wind. Haben wir ihn unter unseren Flügeln, sorgen ausgeschüttete Hormone für Auftrieb. Das heißt, Glücksgefühle besitzen die evolutionäre Funktion, unsere Motivation für das Weiterleben zu steigern. Bekanntlich macht aber Glück das an Höhe wett, was ihm an Länge fehlt. Wir benötigen also keinen Zustand, in dem die innere Drogenproduktion so stabil ist, dass wir unter allen Umständen in einer dauerhaft wohligen Verfassung bleiben. Kurze, aber schöne Glücksmomente genügen.

Warum benutzen wir Beauty-Produkte? (BB Radio, 2021)



Die eigene Schönheit lassen wir uns angelegen sein. Auch auf diesem Feld werden wir Menschen zu Stoffwechselmaximierern auf breiter Front. Von Beauty-Produkten versprechen wir uns einerseits ein junges, sorgenfreies Aussehen. Wir möchten andere damit beeindrucken, dass unser Äußeres eine ausdauernde Jugendlichkeit besitzt. Andererseits meinen wir auch uns selbst etwas Gutes zu tun, indem wir uns wohler in unserer Haut fühlen. Selbstfürsorge ist verwandt mit den schönen Seelen, die beim abendlichen Entspannungsbad farbige Teelichter auf den Rand der Badewanne stellen.

Warum lassen wir uns durch Kleinigkeiten provozieren? (BB Radio, 2021)



Wir fühlen uns provoziert, wenn wir etwas als absichtsvollen Angriff gegen unsere Person auffassen. Wir wissen dann nicht, ob wir dies hinnehmen oder uns verteidigen oder einen Gegenangriff starten sollen. In der Hingabe an unsere Gefühle stürzt sich das Ich von der Klippe in die Tiefe, aber es gibt keinen Boden, an dem es zerschellen könnte. In diesen wie anderen Fällen negativer Emotionalität stellt sich die psychologische Denkaufgabe, einen Standpunkt zu finden, von dem aus die zerklüfteten Felsformationen des Lebens wie eine glatte Oberfläche aussehen.


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