Beiträge für einen Podcast (12)


Warum packen wir einfache Dinge manchmal nicht an? (BB Radio, 2021)



Unsere Blockade gegen das Erledigen einfacher Aufgaben hat ihre Ursache in dem Zuviel von Alternativen. Mehr Wahlmöglichkeiten führen nämlich regelmäßig zu weniger Handeln. Die Motivation kommt jedoch oft erst nach dem Start, nicht vorher. Disziplin bedeutet also sich zu entscheiden zwischen dem, was man jetzt gerade möchte und dem, was man eigentlich noch mehr möchte. Wir sollten uns deshalb die Faustregel geben, alles, was weniger als 5 Minuten dauert, nicht zu verschieben, sondern sofort zu tun.

Warum bewundern wir Schauspieler? (BB Radio, 2021)



Viele Menschen sind bereits damit überfordert, die eigenen Rollen in ihrem Leben ohne substanzielle Abstriche zu verkörpern. Umso größer ist dann unsere Bewunderung für Menschen, denen es gelingt, auch noch in wechselnd fremden Rollen als Schauspieler Figur zu machen. Ein Schauspieler ist übrigens sogar im Privatleben jemand, der einen Blick für Szenen hat. Ich verrate hier noch ein Geheimnis: Die Kunst des großen und mit Preisen überschütteten Schauspielers besteht darin, seine Rollen einfach nur ein bisschen weniger zu spielen als es ein Laiendarsteller machen würde.

Warum begleichen wir Rechnungen auf den letzten Drücker? (BB Radio, 2021)



Wir Menschen neigen dazu, für uns Günstiges sofort wahrzunehmen, aber Unangenehmes eher auf die lange Bank zu schieben. In dem magischen Denken, eine Rechnung könnte durch bloßes Abwarten aus der Welt kommen, reagieren viele Menschen auf sie nicht mit der gebotenen Sorgfalt, sondern üben sich in Nachlässigkeit. Interessanterweise gilt aber psychologisch: Je früher wir einen Preis bezahlen, desto weniger wird er uns auf lange Sicht kosten.

Warum lieben wir Schokolade? (BB Radio, 2021)



Gerade jetzt im Advent halten wir uns gern schadlos an der Schokolade, die nun wieder vermehrt in unserem Zuhause lagert. Oftmals hat man ihren stimmungsaufhellenden Effekt dem in ihr enthaltenen Tryptophan zugeschrieben, das beim Abbau unser Glückshormon Serotonin erzeugt. Allerdings halten moderne Studien die Dosis dieses wie anderer chemischer Wirkstoffe hier für zu gering. Heute sieht man eher die Assoziation von Schokolade mit schönen Kindheitserinnerungen für ausschlaggebend an, sowie den Duft und ihre Konsistenz, die bei Raumtemperatur fest ist und bei Körpertemperatur zart auf der Zunge zergeht. Freilich werden durch sie auch unsere Ausmaße platzfordernder.

Warum empfinden wir Stress? (BB Radio, 2021)



Stress entsteht durch Widerstand gegen äußere Stimuli. Unser Körper spannt sich unter dieser empfundenen Belastung an und die Nebenniere schüttet das Hormon Adrenalin aus. Die evolutionäre Funktion des Stresses besteht in der Schaffung eines Selektionsvorteils durch steigende Toleranz gegenüber Reizen. Unter Stress meinen wir, dass die Anforderungen unsere eigenen Fertigkeiten übersteigen könnten, zum Beispiel bei Zeitdruck. Vielbeschäftigt zu sein, ist übrigens kein Ehrenzeichen. Es bedeutet nur einen Mangel an Freiheit.

Warum bestellen wir in Restaurants immer das Gleiche? (BB Radio, 2021)



Natürlich greifen wir immer gern auf Bewährtes zurück und möchten potenzielle Enttäuschungen vermeiden. Aber es schmeichelt auch unserem Ego, wenn wir unseren Stern enthüllen können und mit feuerfester Selbstgewissheit die präzisest mögliche Bestellung aufgeben. Uns bereits bekannte Speisen und Getränke erlauben uns nämlich, als Premiumgäste aufzutreten. Bestelle ich ohne Blick in die Karte auswendig die richtige Nummer oder in einer Kaffeehauskette in der korrekten Wortreihenfolge einen "Triple Grande Caramel Macchiato", erscheine ich wie ein Kenner der Materie und mein Lächeln bricht siegreich hervor.

Warum stellen wir Gartenzwerge auf? (BB Radio, 2021)



So mancher Garten ist freigebig mit Zwergen geschmückt. Historisch fußen sie auf dem mittelalterlichen Bergbau des 13. Jahrhunderts. Damals wurden aus Platzgründen bevorzugt kleinwüchsige Menschen in die engen Stollen geschickt. Mitunter haben sie zu gierig und zu tief geschürft und vieles aufgeweckt in der Dunkelheit. Psychologisch repräsentiert der Gartenzwerg also Fleiß und eine gewisse Zipfelmützigkeit, während die Gartenbesitzer selbst durchaus eine Enthaltung von Tat und Arbeit pflegen können.

Warum wollen wir Zuwendung, wenn wir krank sind? (BB Radio, 2021)



Manchen Menschen gibt ihre Erkrankung das tröstliche Gefühl, endlich in den inneren Kreis anerkannten Ruins vorgedrungen zu sein. Sie können dann für sich das Recht reklamieren, von ihren Mitmenschen sorgenvolle Zuwendung zu bekommen. Unter normalen Umständen sind wie ja mit Zuspruch eher zurückhaltend. Interessanterweise leben wir gesünder, wenn wir krank sind. Wir schonen dann unsere Kräfte, sind achtsamer beim Essen und Trinken und machen nur das, was uns gut tut. Dazu gehören eben auch unsere Sozialkontakte, sodass wir uns über deren magische Beschwörungen freuen.

Warum wird uns immer mehr Arbeit aufgehalst? (BB Radio, 2021)



Die Leute interessiert fast nie, was wir alles können, sondern was wir für sie tun können. Einem Lastesel, der sich als tragfähig erwiesen hat, wird so lange weitere Last aufgeladen, bis er darunter zusammen zu brechen droht. Deshalb sollten wir uns vor Augen halten: Wenn man "Ja" sagt, profitieren andere; wenn man "Nein" sagt, profitiert man selbst. Das muss für die Anderen kein Nachteil sein, denn jedes "Nein" verbessert unsere Fähigkeit, ein zukünftiges "Ja" zu erfüllen.

Warum kommunizieren wir mit Höflichkeitsfloskeln? (BB Radio, 2021)



Wir sind durch kommunikative Kompetenz normalisierte Wesen. Unser soziales Miteinander wird nämlich durch implizite Spielregeln bestimmt. Sie geben uns Halt und etwas Entspannung im Lebenskampf, indem wir voneinander vertraute Höflichkeitsfloskeln erwarten können. Der Homo sapiens ist ja dasjenige Lebewesen, welches seit Jahrtausenden von komplizierten Grußregeln und Nervositäten im Zusammenleben besiedelt wird. Werden wir gerügt mit den Worten "Fragst du gar nicht, wie's mir geht?", lautet die perfekte Antwort: "Ich habe nur auf einen Wink gewartet, mich nach der Art deiner Verlegenheiten mit Teilnahme erkundigen zu dürfen!"

Warum setzen uns Weihnachtsgeschenke unter Druck? (BB Radio, 2021)



Es steht abermals Weihnachten bevor. Die Gepflogenheit des Schenkens setzt jedoch sowohl die Schenkenden als auch die Beschenkten unter Druck. Denn einerseits kennen wir in einer Wohlstandsgesellschaft immer weniger die wahren Wünsche unserer Mitmenschen, sodass es lauter ahnungslose Geschenke gibt. Andererseits müssen wir auch auf der Beschenktenseite glaubensfromm der organisierten Heuchelei auf den Leim gehen. Man erwartet, dass wir unsere Geschenke mit der fast ironisch übertriebenen Bewunderung in Augenschein nehmen, mit der man sonst nur die Herrlichkeiten der Kinder zu bestaunen pflegt.

Warum haben wir Déjà-vus? (BB Radio, 2021)



Bekanntlich kommt unser Gedächtnis mitunter ins Straucheln. Hinter einem Déjà-vu steckt ein neurochemischer Vorgang im Gehirn, bei dem aktuelle Sinneseindrücke fälschlicherweise einer alten Erinnerung zugeordnet werden. Für einen winzigen Moment sind Kurz- und Langzeitgedächtnis nicht aufeinander abgestimmt, Hippocampus und Parahippocampus gaukeln uns Vertrautheit mit einer Situation vor, die wir irgendwie wiederzuerkennen glauben, aber in Wirklichkeit jetzt gerade zum ersten Mal erleben. Deshalb treten Déjà-vus nur in ganz belanglosen Momenten auf, zeigen uns aber wieder einmal: Das Gehirn wirkt wie eine Maschine zur Produktion von Überzeugungen.

Warum können sich viele nicht kurz fassen? (BB Radio, 2021)



Viele Menschen sind von großem, drängendem Gedankenreichtum und der mitteilenden Rede leidenschaftlich zugetan. Sie erschrecken bei ihren Ausführungen dann vor keiner Länge. Der Grund liegt darin, dass Worte Auskunft über unsere inneren Vorgänge liefern. Je strukturierter die Gedanken, desto rascher lassen sich Punkte setzen. Umgekehrt entsteht Redebedarf, sobald sich die alltäglichen Schwierigkeiten zum Knoten verdicken. Letztlich sind Worte ja nur komplizierte Luft. Im Idealfall sollte man deshalb nur reden, wenn das Reden wertvoller ist als die Stille.

Warum sind manche Menschen hochnäsig? (BB Radio, 2021)



Einige Menschen bemühen sich um eine überlegene Haltung. Sie meinen Grund zu haben, hochnäsig oder stolz zu sein. Ihr Hochmut ist dann oft reich an zynischen Nebengeräuschen. Ist jemand erfolgreich im Leben, war er aber oft nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort und missdeutet seine zufälligen Erfolge dann als eigene Leistungen. In Wahrheit hat niemand Anlass, von sich eingenommen zu sein oder sich für etwas Besseres zu halten, denn letztlich beweist jeder lebende Mensch seine Lebenstauglichkeit.

Warum glauben wir überall an Zusammenhänge? (BB Radio, 2021)



Wir Menschen ziehen überall Ideenverbindungen. Das heißt, wir lieben Assoziationen, in denen wir aber weitläufige Zusammenhänge zu sehen bereit sind. Dies hat seinen Grund darin, dass es kaum eine bequemere Art aller Betrachtungen gibt, als Vergleiche anzustellen. Das funktioniert praktisch immer, im Kleinen wie im Großen. Aber die Welt ist eigentlich nach allem, was man von ihr zu sehen bekommt, eher ein Schlachtfeld von konfus verteilten Lebenswillenspunkten als eine vernunftvoll beseelte Ganzheit.

Warum schätzen wir guten Wein? (BB Radio, 2021)



Es gibt kaum ein Obst, das in den Feinheiten von Anbau und Weiterverarbeitung so kompliziert ist wie die Früchte des Weinstocks. Gute Trauben reifen nicht von selbst an der Rebe und in der Flasche, sondern setzen lange Weinbau-Erfahrung voraus bei jährlichem Rückschnitt, Erziehung der Rebe, Ausbrechen, Einschlaufen und Entspitzen von Trieben, Auslichten der Traubenzone, Ertragssteuerung und Bodenpflege. Mit einem guten Wein nehmen wir also auch eine Jahrhunderte alte Winzertradition in unseren Körper auf, deren Kunst so manches Augenpaar zu höherem Glanze erweckt. Führt der Geist des Weines die Herrschaft über uns, sind wir vielleicht nicht mehr ganz wortmächtig, fühlen uns aber bestärkt.

Warum zeigen wir Geschirr in Vitrinen? (BB Radio, 2021)



In vielen Haushalten wirbt mindestens eine Vitrine um Andacht. Besonders ältere Leute platzieren dort Gläser, Sammeltassen oder vermeintlich wertvolles Porzellan. Fast jeder kennt irgendeine Vase, der man Echtheit nachsagt. In früheren Zeiten waren die Glas- oder Keramikarbeiten aus des Kunsthandwerkers Hand ein Statussymbol. Heute wird das Geschirr mit dem Goldrand lieber nicht in Gebrauch genommen, da die Spülmaschine ihm nicht gewachsen ist. Eine Vitrine ist dann ein guter Aufbewahrungsort, da sie zugleich einen mondäner Glanz abstrahlt.

Warum schlafen wir bei Vollmond schlechter? (BB Radio, 2021)



Den Mond sehen wir ja wechselnd abmagern und Fett ansetzen. Viele berichten, dass sie unruhevolle Nächte verbringen, wenn Vollmond-Licht auf dem Gesicht liegt. Immer wieder tauchen Vermutungen über eine Melatoninreduzierung durch sein helleres Licht und Studien aus Schlaflaboren auf, wonach wir bei Vollmond später einschlafen oder weniger tief schlummern oder auch alles widerlegt wird. Entscheidender dürfte unsere Erwartungshaltung sein, die unseren Schlaf in Besitz nimmt. Befürchten wir nämlich, die ganze Nacht aufzusitzen, können wir uns tatsächlich darauf einrichten, die Nacht nur in einer leichten Ruhe zu verbringen.

Warum vertrauen wir unserem Bauchgefühl? (BB Radio, 2021)



Unser Gemüt ist von wogenden Gefühlen bestimmt. Glauben wir, was die innere Stimme uns sagt, können wir auf anstrengendes Nachdenken verzichten und erfassen die Ganzheitlichkeit einer Lebenssituation intuitiv oft richtig. Allerdings müssen wir im Alltag auf gemischte Gefühle gefasst sein. Ein Zurück zur reinen Intuition mündet dann in Irrationalismus. Deshalb gilt es, die gefühligen Überschwemmungen zumindest etwas einzudeichen. In letzter Instanz sind sowohl die Gedanken als auch die Gefühle unsere Entscheidungen.


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